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Das gelbe Geisterhaus

Von Christoph Kotanko, 18. Juni 2016, 00:04 Uhr
Geisterhaus
Bild: Reuters

BRAUNAU. Hitlers Geburtshaus beschäftigt seit Jahrzehnten Behörden, Historiker und Bewohner von Braunau. Jetzt ist eine Lösung in Sicht: Das Gebäude soll enteignet werden, eine Expertenkommission prüft die künftige Nutzung.

Die Vergangenheit vergeht nicht. Am 20. April 1889 wurde der spätere Diktator Adolf Hitler als Sohn eines Zollbeamten in Braunau am Inn geboren.

Das Kleinkind verbrachte hier nur die ersten drei Jahre, dann wurde der Vater nach Passau versetzt.

Doch das Geburtshaus, ein vom Zahn der Zeit benagtes gelbes Vorstadthaus, sorgt bis heute weltweit für Schlagzeilen.

Als Anfang Juni Florian Kotanko, Historiker und Obmann des Braunauer Vereins für Zeitgeschichte, Neues über Hitlers Familie enthüllte, gab es Schlagzeilen von Australien bis Venezuela.

Jahrzehntelang hatten Hitler-Biografen dessen Kindertage beschrieben; dass er nicht das vierte, sondern das dritte Kind von Alois und Klara Hitler war, entdeckte keiner – bis zur Nachschau des Zeitgeschichtlers im Pfarrarchiv.

Berühmt-berüchtigtes Gemäuer

Vergangene Woche brach eine Debatte über einen Abriss des leer stehenden Gebäudes los. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Historiker eine andere Verwendung für das berühmt-berüchtigte Gemäuer prüfen. Es könnte nach dem Vorbild von Sachsenhausen eine gemischte Nutzung – Gedenkstätte plus Vermietung – geben.

Eigentlich hat Braunau viel mehr zu bieten als das unerwünschte "Erbe" in der Salzburger Vorstadt 15. Direkt am Inn an der Grenze zu Bayern gelegen, bekam es schon 1260 das Stadtrecht. Die bunt gefärbelten Fassaden am Stadtplatz haben die typische Bauform des Inn-Salzach-Stils; die Altstadt ist denkmalgeschützt.

Braunau ist mit rund 17.000 Einwohnern die größte Stadt des Innviertels, wirtschaftlich erfolgreich durch Leitbetriebe wie die Amag und mit einem breiten kulturellen Angebot; das Kulturhaus Gugg gehört österreichweit zu den renommiertesten Veranstaltern der Kleinkunstszene.

Ins Schweinwerferlicht kommt die Stadt jedoch häufig durch Hitler. Über seine persönliche Beziehung zu Braunau kursieren die abenteuerlichsten Geschichten, wie die Einheimischen wissen.

Neugierig fragen Touristen: Wo ging hier der "Führer" zur Schule? Hat er "Abitur" gemacht? Hatte er im Ort ‘ne Freundin?

In Wahrheit war die Beziehung des späteren Reichskanzlers zu Braunau bloß kurz.

Hitler vermied den Kontakt

Zuneigung zur Stadt hatte er keine. Geburtsort des Zöllnersohns hätte jeder Grenzübergang irgendwo in der Monarchie sein können.

Hitler wurde von Braunau nicht nur nicht geprägt, er vermied später den Kontakt (mit einer belegten Ausnahme 1938) und log, als er 1925 in "Mein Kampf" schrieb: "Als glückliche Bestimmung gilt es mir heute, dass das Schicksal mir zum Geburtsort Braunau zuwies."

Die Nazischergen versuchten vergeblich, den Zufallsgeburtsort aufzuwerten. Der ehrgeizige Gauleiter August Eigruber, Reichsstatthalter in Oberdonau, betrieb 1942 bis 1944 die Einsetzung eines Sonderbeauftragten "für die Erweiterung und Umgestaltung der Stadt". Priorität bei Hitler bekam dieses Vorhaben nie. Im letzten Aktenvermerk vom 3. April 1944 antwortete der Chef der Reichskanzlei auf eine Anfrage des Reichsinnenministeriums vom Dezember 1942: "Der Führer hat sich dahingehend geäußert, dass er nichts dagegen habe, wenn die Einsetzung eines Sonderbeauftragten bis nach dem Kriege zurückgestellt wird."

Wirtshaus mit Mietwohnungen

Das Geburtshaus, ein Wirtshaus mit Mietwohnungen, wurde 1938 von Reichsminister Martin Bormann für die NSDAP zum vierfachen Verkehrswert erworben.

Am 2. Mai 1945 besetzten US-Truppen Braunau. Zuvor hatte ein deutscher Stoßtrupp versucht, das "Hitler-Haus" zu sprengen.

Am 1. November 1945 wurde "an der Stätte, von der aus einst Hitler in die Welt trat", eine Gedenkausstellung über die KZ eröffnet.

1952 bekamen die Ex-Eigentümer das Haus zurück. Gleichzeitig wurde es vom Innenministerium angemietet und hatte danach verschiedene Verwendungen – Stadtbücherei, Schule, Tagesheimstätte für Behinderte. Als die Lebenshilfe 2011 auszog, weil die Besitzerin notwendige Adaptierungen verweigerte, entbrannte die Diskussion über die weitere Nutzung.

Auswärtige Aktivisten, welche die Stadt gern als "Geburtsort des Bösen" etikettieren, versuchten ergebnislos, ein "Haus der Verantwortung" zu etablieren. Das Innenministerium ließ das Gebäude leer stehen, überwies der Besitzerin aber Monat für Monat rund 5000 Euro Miete. Nicht zuletzt auf den Druck des Rechnungshofes wurde kürzlich ein Enteignungsgesetz in Begutachtung geschickt.

Der Republik geht es weniger um den Besitz des Gebäudes als um die Hoheit über die Nutzung. Eine Eigentumsbeschränkung ist möglich; sie könnte noch heuer im Nationalrat beschlossen werden.

Das Gebäude kurzerhand wegzureißen, wie es Innenminister Wolfgang Sobotka (VP) vorgeschlagen hat, wäre dagegen schwierig – es steht, wie das gesamte Altstadtensemble, unter Denkmalschutz.

Eine Kommission widmet sich der Nutzung nach der Enteignung. Diese Experten kommen im Juli erstmals zusammen.

Die Stadt Braunau bekennt sich seit langem zum historischen "Erbe" – nicht erst unter VP-Bürgermeister Hannes Waidbacher, sondern schon zur Zeit der SP-Bürgermeister, die jahrzehntelang regiert haben. Braunau war – anders als man in Österreich und der Welt glaubt – nie "blau" oder gar "braun".

Nach 1945 rot, seit 2011 schwarz

Es war als Industriestandort nach 1945 traditionell "rot" und wurde erst durch den Niedergang der Stadt-SP 2011 "schwarz". Bei der Gemeinderatswahl 2015 bekam der VP-Kandidat Waidbacher knapp 63 Prozent der Stimmen.

Vor Hitlers Geburtshaus gibt es alljährlich die Gedenkstunde für die Opfer von Krieg und Faschismus. Das Rathaus ist für Auskünfte und Anfragen immer offen. Die Braunauer Zeitgeschichte-Tage widmen sich mit hochkarätigen Teilnehmern regelmäßig der Vergangenheit und Gegenwart

Die Entscheidung, wie es mit dem Geisterhaus weiter geht, ist bedeutsam für Österreich – und für Braunau. Die Nutzung sollte niemand aufgezwungen werden, sondern Bedacht nehmen auf die Menschen, die hier leben.

Christoph Kotanko wurde in Braunau geboren; er ist Wien-Korrespondent der OÖN. Der Historiker Florian Kotanko ist sein Bruder.

 

Die Bezirkshauptstadt am Inn

Die erste urkundliche Erwähnung findet sich 1120 („Prounaw“), seit dem 13. Jahrhundert hat Braunau das Stadtrecht.

Zu den Sehenwürdigkeiten der Bezirkshauptstadt am Inn zählen die Stadtpfarrkirche St. Stephan und der Stadtplatz mit seinen vielen gotischen Häusern.

Leitbetriebe der Stadt sind neben anderen der Aluminiumhersteller AMAG oder die Firma Doppler, Europas größter Hersteller von Markenschirmen. Zu den bekanntesten Produkten des Familienunternehmens Doppler gehört der Knirps-Schirm.

In Braunau geboren wurden auch VW-Konzernlenkerin Ursula Piech, Dancing Star Lukas Perman oder Hubert Wolf, der Papa Putz aus der XXXLutz-Werbung.

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11  Kommentare
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oliverh (274 Kommentare)
am 20.06.2016 07:21

Die Nazizeit ist ebenfalls Geschichte.
Geschichte sollte unverfälscht sein und bleiben! Geschichte ist das, was uns daran erinnert, was uns vorwärts gebracht hat oder völlig menschenverachtend war!
Ich würde hier dem bayrischen/deutschen Vorbild der "Dokumentation Obersalzberg"
folgen und ganz nüchtern und ohne Emotionen die Taten der Nazis dokumentieren!
Es sind außer Juden viele politisch Verfolgte, Menschen auch aus unseren Kreisen inhaftiert, verfolgt und getötet worden.
Dies gilt es emotionslos als Dokumentation weiterzugeben.

Hitlers Geburtshaus wäre ideal den Werdegang einer verhetzten Gesellschaft darzustellen - wie kann eine Gesellschaft in einen Krieg geraten/propagiert werden?

Es ist an der Zeit nicht die Nazizeit zu radieren sondern zu dokumentieren damit so etwas tragisches nie wieder passiert!

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jowmosc (1.401 Kommentare)
am 19.06.2016 12:36

noch hat der nationalrat nicht darüber entschieden wie auch der verfassungsgerichtshof,dann es auch noch den obersten gerichtshof gäbe..

"experten prüfen künftige nutzung" ..dürfte wohl dieselben mystikexperten sein die auch beim verfassen des briefes aus dem bmi mittätig waren,eigentlich wiederbetätig,immerhin deren wunsch "enteignung" und das hat in deutschen landen eindeutige vergangenheit.

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jowmosc (1.401 Kommentare)
am 19.06.2016 12:39

wer sich nicht fügt enteignet wird ..wir kennen das.wahrscheinlich die kommission aus dem bundesheer die sowieso inoffiziell bekennend sind ,und das jeder weiss der schon beim heer war.

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jowmosc (1.401 Kommentare)
am 19.06.2016 13:12

nachher das haus wo die familie nachher hinzog bis wir irgendwann in deutschland wären um die regierungsgebäude sprengen ...

bisher noch keine antwort unserer "anti hitler expertenkomission" was mit all den anderen häusern passieren müsse wo hitler wohnte oder residierte..

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Cisi1966 (12 Kommentare)
am 18.06.2016 11:22

...Blau oder gar braun...???

Frechheit!!

A bisschen was wird schon hängen bleiben....

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jamei (25.489 Kommentare)
am 18.06.2016 10:05

Das gelbe Geisterhaus - für Klicks immer gut... traurig traurig

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Gugelbua (31.807 Kommentare)
am 18.06.2016 08:09

die tägliche Hitlerwerbung ist unsagbar traurig

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vul (2.749 Kommentare)
am 18.06.2016 08:05

So billig kann man von den massiven Gegenwartsproblemen ablenken.

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gerald160110 (5.609 Kommentare)
am 18.06.2016 04:32

Gibt es denn wirklich nichts anderes aus der "Geburtststadt des Führers" zu berichten? ....täglich grüßt der "Führer" aus der OÖN....

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Zaungast_17 (26.399 Kommentare)
am 18.06.2016 07:42

so ählich hätte ich jetzt auch nachgefragt ...

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( Kommentare)
am 19.06.2016 15:38

Im kommerziellen Web, Gast, zählen nur die Klicks; zum Überwiegenden von den Nivellierten.

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