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Dachstein Rush: Der Reiz des Verrückten

Von Marlies Czerny, 22. April 2017, 00:04 Uhr
Der Reiz des Verrückten
Der Zwischenstopp in Schloss Orth war nur von kurzer Dauer. Bild: Czerny

Wer in Wels mit dem Rennrad losfährt und auf dem Dachstein-Gipfel mit Steigeisen ankommt, hat keinen Vogel, nur einen ganz besonderen Antrieb: den Dachstein Rush. Zur Nachahmung empfohlen.

Wie? Das ist kein Rennen? Also treten da nicht ausschließlich Rennmaschinen in hautengen Anzügen wild gegen einander an, laufen stumm vor sich her, blicken weder links noch rechts, nur im Takt auf die Uhr? Die Skepsis wird im Vorhinein beseitigt. Der Dachstein Rush ist kein Rennen. Viel mehr eine sportlich ambitionierte Reise und ein Abenteuer, mit der kleinen Vorwarnung, dass die Teilnehmer zwischendurch an ihre persönliche Grenze gelangen könnten. In der Hoffnung, dass gemeinsam viel mehr möglich sein wird als man einsam je versuchen würde. Zwischen Start (auf dem Welser Stadtplatz) und Ziel (auf dem Dachsteingipfel) liegen eineinhalb Tage, 165 Kilometer, 4500 Höhenmeter, literweise Regenwasser, trockener Humor – verteilt auf Radschuhe, Laufschuhe, Skischuhe und zu guter Letzt Steigeisen. Zurück im Flachland steht eine persönliche Geschichte, die jeder noch länger erzählen wird.

Sauwetter und Schweinehund

Donnerstag, 13. April, sieben Uhr früh, Welser Stadtplatz. Die Euphorie weicht der Ernüchterung. Worauf habe ich mich da bloß eingelassen? Neben meinen zehn Wegbegleitern haben sich auch Wind und Regen angemeldet. Schon nach wenigen Tritten in die Pedale wird klar, dass diese Spritztour ein besonderer Drahteselakt wird. Die Nässe fetzt vom Hinterreifen des Vordermanns direkt in mein Gesicht. Ich bin dreckig, noch bevor wir die Lambacher Gemeindegrenze erreichen, und saudreckig, ehe wir den Bezirk Wels-Land verlassen. Trotzdem: nur nicht dem Windschatten entkommen. Der Schattenspender hat allerdings einen Hang zum kontrollierten Masochismus, wie Michael Strasser über sich selbst sagt. Eindrucksvoll gezeigt hat das der 34-Jährige bei seinem Weltrekord durch Afrika (von Kairo nach Kapstadt in 35 Tagen).

Diese Fahrt kommt für den Extremsportler einer Aufwärmrunde gleich – vielleicht verliert er deshalb nie sein Lachen. Aber für eine Bergsteigerin, die gerade zur Raritäts-Radfahrerin wird? Die versucht mit Galgenhumor den Spaß (und das Tempo) zu halten. Bei Schönwetter kann doch jeder. Die gute Stimmung im Pulk wirkt ansteckend. Und doch ehrlich: Wie abartig ist das hier? "Das Schinden macht anscheinend Spaß", sagt Michael Schweinberger. Der Salzburger hat einen besonders guten Draht zu seinem inneren Schweinehund. Er lacht ihn einfach aus. Dass wir da draußen Freude haben, kann nur schwer vorstellbar sein für die Menschen in den Familienhäusern, Büros und Autos, an denen wir vormittags vorbei rollen. Wir wollen auch nicht tauschen mit ihnen.

Feucht und fröhlich

Wir treten feucht und fröhlich vor uns hin. Das Traunviertel fliegt vorbei an uns, Bäume mit Kirschblüten, Auen mit Bärlauch, Seen mit Nebel. Beeindruckend, in welchem Tempo wir Landschaften mit Leidenschaft kombinieren. In Gmunden kommen wir kurz ins Trockene. Im Schloss Orth sind Semmel und Croissants für uns aufgedeckt. Wir zögern, in unseren Drecks-Hosen auf den weißen Sessel-Überzügen Platz zu nehmen. "Aber nehmt doch", heißt es gastfreundlich. Gestärkt düsen wir weiter – nur nicht auf dem direkten Weg. Die können ja gar nicht genug kriegen! Wir fressen vom Traunsee zum Attersee ein paar zusätzliche Höhenmeter über die Großalm-Landesstraße. Für die Abfahrt nach Steinbach am Attersee stülpen sich Vorausdenkende wasserdichte Müllsäcke über. Ich verzichte darauf (noch bin ich nicht zum Schmeißen, denke ich mir). Am anderen Ufer überlege ich, in den See zu hüpfen, um mich wieder aufzuwärmen. Auch keine gute Idee. Zwischen Bad Ischl und Bad Goisern fühle ich mich allmählich gerädert, da kommt dieses Straßenschild gerade recht – Obertraun: 12 Kilometer. Das Zwischenziel am oberösterreichischen Fuße des Dachsteins rückt näher, der innere Schweinehund wird ausgebremst, ehe er Fahrt aufnimmt. Der Slalom durch eine asiatische Hochzeitsgesellschaft in Hallstatt erheitert bis zum Etappenende. Wie jetzt? Geschafft? Der Windschatten und die Begeisterung wirkten auf rund 130 Straßenkilometern wie ein Sog. Selbst die Langsameren wurden nicht im Regen stehen gelassen (und die Langsamere war ich).

Wechselzone beim Wirt

Beim Höllwirt in Obertraun schlüpfen wir ohne Stress von den nassen Radsachen in warme Skitourenkleidung, tanken Kalorien und bereiten uns seelisch darauf vor, was noch kommen wird: 1600 Höhenmeter bis zu unserem Schlafplatz auf der Lodge am Krippenstein. Flotten Schrittes geht’s zur Talstation, wir wechseln von Lauf- auf Skischuhe, die uns bis hierher transportiert worden sind. Ehe wir die Tourenskier anschnallen, müssen wir sie noch über die Piste tragen. Die geschlossene Abfahrt vom Krippenstein trägt bei diesem Aprilwetter 400 Höhenmeter lang weniger einladend die Farben grün (Gras) und braun (Gatsch) und grau (Schotter). Das steile Teilstück zieht manchen Wegbegleiter nach unten. Christoph Schürz überwindet das Tief, indem er nicht bis zum Höhepunkt denkt, sondern in kleinen Schritten. Der 32-Jährige ist sogar von seiner Haustüre in Wels losgestartet, "das ist meine Motivation. Von zu Hause auf den Dachstein", sagt er. Zum Abendessen sind wir wieder auf dem Krippenstein vereint. Schweinsbraten. Den haben wir uns nach dem Sauwetter verdient!

Auf zum Gipfelsturm!

Am darauffolgenden Freitagmorgen reiht sich die Sonne kurz in unsere Skispur ein, ein Bergführer ist die ganze Zeit mit dabei. Nachdem wir nach der Gjaidalm auch die Simonyhütte links liegen gelassen haben und warmgelaufen sind, versteckt uns dichter Nebel auf dem riesigen Dachstein-Plateau. Das Zusammenwarten auf dem Hallstätter Gletscher vor dem letzten Aufstieg über den Randkluft-Klettersteig wird zum Kälteschock. Ab hier spricht der Kopf mit Jana Konvalinova eindringlicher. "Jana, was machst du da? Du spinnst ja", meint er, als sie erstmals mit Steigeisen an den Beinen ins steile Gelände vorrückt. Die fitte Kirchdorferin hat sich von ihrem Freund begeistern lassen, beim Dachstein Rush mitzumachen. Nun folgt sie anderen, weil er beruflich kurzfristig abspringen musste. Ein letzter eisiger Aufschwung, bis der Nebel das Gipfelkreuz freigibt. Es ist von dezimeterdickem Weiß überzogen. Und unser Gesicht von einem breiten Grinsen. Wir sind als Einzelsportler gekommen und stehen hier als Freunde. Wohl nicht zum letzten Mal.

 

Die Rush-Serie

Warum Rennrad mit Skiern kombinieren? Wenn in Stadt und Land der Frühling blüht, beginnt in den hohen Bergen die Glanzzeit der Firn-Skitouren. Organisator Hans-Peter Kreidl macht den Spagat von der Stadt auf den Gipfel, vom Frühling zum Winter, von der Rad- zur Tatsache. Ganz ohne Stoppuhr. Der Großglockner von Wien, der Dachstein von Wels, die Wildspitze von Innsbruck (folgt am 27./28. April), der Großvenediger von Salzburg (4./5. Mai), das ist die „Rush“-Serie, welche die OÖNachrichten als Medienpartner begleiten.
Info: www.the-rush.eu

 

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