Bitten und beten am Linzer Biertisch-Altar
LINZ. Zwar mangelt es dem Autodrom-Straßmeier an sakraler Atmosphäre, dennoch wurde hier gestern wieder traditionell der Urfahraner-Gottesdienst gefeiert: mit Senf und Segen.
Schwierig, im Urfahrmarkt-Trubel zwischen lärmenden Lautsprechern und brutzelnden Bratwürsten einen Ort der Ruhe und Besinnung zu finden. Doch mitten im Epizentrum gibt es diesen Flecken Besinnung. Da stehen ein katholischer Priester, ein evangelischer Pfarrer und ein Autodrombesitzer: Was klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes, hat eine lange und tiefgründige Tradition. Nicht nur am Urfahrmarkt, sonder auch am Münchner Pendant, dem Oktoberfest.
„Ich reise mit den Schaustellern von Messe zu Messe und halte die Gottesdienste “, sagt der Evangele Stefan Schumann. Er ist ein Mann des Volkes, mittendrin statt nur dabei. Ganz bei der Basis und kümmert sich um das Seelenheil seiner bunten Schäfchen: Karussellbesitzer, Würstelbrater, Billeteure. Sogar eine Hochzeit und eine Taufe habe es schon auf dem Urfahrmarkt gegeben. Auf dem rutschigen Metallboden eines Autodromstands, wo sonst nur kleine Gefährte schlitternd ihre Pirouetten drehen.
Weil das Bild, das die Urfahrmarktbesucher da gerade geboten bekommen, doch durchaus ein kurioses ist, bleiben Passanten ungläubig glotzend stehen. Ein Mann drückt zweifelnd seine Brille fester auf die Nase. Er setzt sich schließlich zu den zirka 50 Gläubigen. Andere Passanten schauen und kauen unbeirrt an ihrem Langos, während das Kyrieeleison gesungen wird. Nur Sänger sind sie keine, diese Schausteller. Da müssen Pfarrer Schuhmann und sein altkatholischer Kollege Pater Klemens Haas heute besonders laut mitsingen.
Pater in der Achterbahn
„Es war auch für mich am Anfang ungewöhnlich“, sagt Pfarrer Schumann, Schausteller-Seelsorger für ganz Österreich. „Aber nach zwei, drei Mal gehört es zum Alltag.“ Weil er früher oft Regie bei Theaterstücken führte, hätte ihn sein Chef zum Schausteller-Pfarrer berufen. Mit Chef meint er allerdings seinen direkten Vorgesetzten, den Bischof . Privat fährt Schumann übrigens gerne mit Achterbahnen. „Aber nur mit den schnellen.“ Meist sogar gratis, „man kennt sich ja“.
Während der Wandlung weht jedenfalls eine Brise Bratwurst durch die Bierbänke. Es ist ja auch schon fast Mittag. Bier statt Messwein gibt’s aber trotzdem nicht. Auch wenn nebenan beim Würstelstand zwei Linzerinnen genüsslich ihre Würstel in den Senf drücken.