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Ausnahmezustand in Aistersheim

Von René Laglstorfer (Text) und Volker Weihbold (Fotos)   03.März 2018

„Keine Interviews geben!“ Ein Sicherheitsmann wachelt ankommende Gäste, die zum  Kongress „Verteidiger Europas“ im Aistersheimer Wasserschloss wollen, rasch weiter. „Ich bin nicht hier um Freunde zu finden“, sagt ein bayerischer Teilnehmer, der für den Kongress aus München angereist ist. „Bei einigen Akteuren des Kongresses bin ich skeptisch, aber mich interessiert das rechte Milieu.“

In der 888 Einwohner zählenden Gemeinde herrscht Ausnahmezustand. Tausend Tagesgäste werden erwartet, mit denen viele Aistersheimer nicht wirklich Freude haben: „Wir wollen diesen Kongress nicht. Nicht die Ewiggestrigen kommen hierher, sondern junge, gebildete Leute - das macht mir schon Sorgen“, sagt Bürgermeister Rudolf Riener (ÖVP). Neben den geschätzten 500 Kongressteilnehmern werden 500 Demonstranten erwartet, die mit Bussen aus Linz und Wels herkommen.

"Sie sollen sich nicht wohlfühlen"

Keine weite Anreise hatte Ingrid Rössler, die mit ihrer fünfköpfigen Familie aus der Nachbargemeinde Geboltskirchen angereist ist. „Diese Rechten sollen nicht das Gefühl haben, dass sie hier willkommen sind. Und sie sollen sich auch nicht wohlfühlen.“ - „Nicht nur in der Stadt, sondern auch am Land muss man sich gegen Rechte engagieren. Wenn sie wiederkommen, werden auch wir wieder da“, sagt auch Didi, ein knapp 40-Jähriger, der aus einer Nachbargemeinde von Aistersheim stammt.

Ein Großaufgebot der Polizei mit Einsatzeinheiten aus Oberösterreich und einem Zug aus Salzburg sichert das kurzfristig von 12 auf 8 Uhr vorverlegte Platzverbot rund um den Veranstaltungsort, ein fast 900 Jahre alte Wasserschloss, ab. „Wir achten auf Deeskalation und schauen, dass es friedlich abläuft“, sagt Polizeisprecher David Furtner. Knapp 150 Beamte seien dafür im Einsatz.

Rechter Kongress und Demo in Aistersheim

Foto: Weihbold

8 Uhr in der Früh, es hat minus 4 Grad Celsius. Am Dorfplatz beginnt  der „Politische Frühschoppen für eine schönere Welt“ mit einer Handvoll schwarz gekleideter, junger Menschen. Die Polizei schätzt die Teilnehmerzahl auf 30 Personen. Im Hintergrund laute Musik, vorwiegend deutscher Rap. Es scheint, als würden sich die Demonstranten langweilen, hin und wieder fliegen Schneebälle auf vorbeikommende Kongressteilnehmer.

Video: Demo gegen rechten Kongress

Journalisten sind bei dem rechten Kongress unerwünscht, Presseakkreditierungen wurden keine vergeben. „Dass die Medienvertreter ausgesperrt werden, halte ich für bedenklich, schließlich haben wir Meinungs- und Pressefreiheit. Aber vielleicht haben sie etwas zu verbergen“, sagt Bürgermeister Riener. Er hätte vom Veranstalter InfoDirekt, der vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes als „rechtsextrem“ eingestuft worden ist, eine Eintrittskarte für den Kongress geschenkt bekommen - und abgelehnt.

Stundenlanges Warten auf die Demonstration nun um 14 Uhr, Teilnehmer aus dem gesamten Bundesland und Wien werden mit Bussen herangekarrt. Über Aistersheim das Dröhnen des Polizeihubschraubers, im kleinen Nahversorger debattieren die Gäste im „Plauscherl“ über Sinn und Unsinn des Kongresses. Die Tendenz: gegen rechts; dennoch: „naja, die Linken kosten halt auch Geld, alleine für die Sicherung“. Diese geschieht vor der Türe. Die Polizei sperrt den Dorfplatz für die Demonstration mit Eisengittern, langsam füllt sich der Platz mit den Demonstrierwilligen.

Rund 200 Demonstranten

Rund 200 Demonstranten haben sich laut Schätzung der Polizei um 14 Uhr zur Kundgebung des Bündnisses "Linz gegen Rechts" am Dorfplatz versammelt. Kurz vor Beginn der Kundgebung marschierte ein aus ein paar Dutzend Personen bestehender schwarzer Block Parolen skandierend und mit "gegen den rassistischen Normalzustand" auf einem Transparent auf den Platz. "Burschen schafft euch ab" und "Tod dem Faschismus - Unsere Rebellion ist gerechtfertigt" hießen weitere Protestbotschaften.

 

 

Auch die "Omas gegen rechts" waren zumindest den Schildern nach stark vertreten. Auf der Bühne sprach unter anderem Willi Mernyi, der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich. Zu den Demonstranten gesellten sich neugierige Einheimische, auch der Nahversorger am Dorfplatz war gut frequentiert. 

Im Inneren des Schlosses war am Vormittag unter anderem der Grazer FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio, der sich laut Twitter-Account der "Verteidiger Europas" über die "Vermehrungsrate der Einwanderer", die "jene der autochthonen Bevölkerung um ein Vielfaches übersteigt" Gedanken machte, am Pult. Ebenso unter den Rednern war Andre Poggenburg von der AfD Sachsen-Anhalt, der die EU als "verderbliche Krankheit Europas" bezeichnete.

 

 

Auf Twitter berichteten die "Verteidiger Europas" von "Farbbomben und Schüssen" auf den Verlagssitz von Info-Direkt in der Nacht auf Samstag. Die Polizei bestätigte eine Sachbeschädigung an dem Bauernhof durch rote und schwarze Farbbeutel. Der Linzer Vizebürgermeister Detlef Wimmer (FPÖ) sah in einer Aussendung eine "besonders verwerfliche Straftat" von "Linksextremen". Die Polizei sprach von "unbekannten Tätern".

Der Pfarrgemeinderat von Aistersheim lud um 19.00 Uhr, nach dem Ende des Kongresses und der Protestkundgebung um 18.00 Uhr zur "Wort Gottes Feier für den Frieden, die Toleranz und die Menschlichkeit". Dabei werde es auch ein Lichtermeer vor der Kirche geben, sagte Bürgermeister Rudolf Riener (ÖVP).

"Schande für Oberösterreich"

Scharfe Kritik an dem Kongress kam am Samstag von der Landes-SPÖ: "Das ist eine Schande für Oberösterreich", so Vorsitzende Birgit Gerstorfer in einer Presseaussendung. Vor allem die Anwesenheit von FPÖ-Vertretern zeige, "wie unwillig diese Partei ist, sich glaubhaft von rechtsextremem Gedankengut zu distanzieren", meinte Gerstorfer.

Gleichzeitig kritisierte sie Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), dass dieser zum Kongress nur schweige. Er mache sich damit "zum Steigbügelhalter für die rechte Ideologie". Auch die Grüne Landessprecherin Maria Buchmayr hatte im Vorfeld an die politischen Verantwortungsträger, explizit vor allem jene der ÖVP, appelliert: "Seien sie wachsamer. Sehen Sie, was vor sich geht."

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