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Auf den Spuren der Au-Besetzer in Hainburg

Von Von Sabine Novak (Text) und Volker Weihbold (Fotos)   12.Dezember 2009

Die hunderten Graffiti an den Pfeilern der Donaubrücke, wo sich Camp IV der Besetzer befand, wurden längst übermalt. Über den Damm, wo vor einem Vierteljahrhundert alle paar Meter Gendarmen standen, ziehen Nebelschwaden. „Da hat sich das meiste Kampfgeschehen mit der Exekutive abgespielt“, sagt der gebürtige Frankenburger Günter Schobesberger (62).

Er ist Hainburg-Besetzer der ersten Stunde. Und nicht nur das: Er kaufte 700 Decken, 65 Militärschlafsäcke und 3000 Jutesäcke, die er mit Stroh füllen und an die Au-Besetzer verteilen ließ. Das Geld hatte er von der Wolfsegg Traunthaler Kohlenwerks AG. 650.000 Schilling hatten ihm sechs Jahre zuvor die Kohleförderer als Ablöse für sein Haus in Frankenburg bezahlt, weil darunter jede Menge Braunkohle gefördert werden sollte. „ Und so habe ich dann einen Teil meiner Kohle verwendete, um mitzuhelfen, ein Wasserkraftwerk zu verhindern.“

Das Erdreich auf der ehemaligen „Straße der Barrikaden“ in der Au ist vom Regen aufgeweicht. Barrikaden, welche Barrikaden? „Bis zu 40 Mann gleichzeitig haben damals Baumstamm um Baumstamm quer über diesen Forstweg gelegt, damit die Gendarmen mit den Autos nicht zu unseren Lagern durchkamen. Es war ein Krieg, aber mit friedlichen Mitteln“, sagt Schobesberger. Dutzende solcher Stämme liegen nun neben dem Weg: Totholz, bewachsen mit Moos, teils mit sternförmigen Zeichnungen, hineingefressen von Borkenkäfer-Larven. „In der Lacke hat eine Wildsau gebadet“, sagt der Naturliebhaber, zeigt auf ein Loch auf dem Weg und lacht.

Wo der Seeadler nistet

Mehr als 30 Säugetier-, 100 Brutvogel- und 60 Fischarten tummeln sich im Nationalpark Donau-Auen. Die OÖN entdecken ein Seeadler-Nest hoch in den Bäumen. Aber der Vogel, der ganz in der Nähe über einen Donau-Altarm fliegt, ist ein anderer: ein Reiher. Die Natur hat die Herrschaft über die Au.

„Es war nach der Besetzung noch ein jahrelanger Kampf bis zur Nationalparkgründung vor 13 Jahren“, sagt Gerhard Heilingbrunner (52), Präsident des Umweltdachverbandes, dem 38 Natur- und Umweltschutzorganisationen angehören. Auch der 52-Jährige war damals Aktivist in der Au. Als Umweltreferent der Hochschülerschaft hatten er und seine Mitstreiter schon ein Jahr vor der Besetzung die Studenten mobilisiert. Als es dann so weit war, im Dezember 1984, „hatte ich eine Vermittlerrolle zwischen Aubesetzern und Regierung. Ich habe oft bis in die Nacht verhandelt, dann bin ich immer in die Au gefahren, habe dort geschlafen“, sagt Heilingbrunner.

Gruben mit bis zu drei Metern Durchmesser zwischen bis zu hundert Jahre alten Schwarzpappeln zeugen davon, wie die tausenden Besetzer gehaust haben. „Die Wohngruben waren mit Strohsäcken ausgelegt. In der Mitte war ein Pfosten, der Äste stützte, die mit Planen und Erdreich bedeckt wurden. In den Quartieren stand ein Kanonenofen. Wenn es draußen bis zu minus 17 Grad hatte, war es drinnen gut warm“, sagt Schobesberger. Er kennt sich aus – „ganz am Anfang meines Architekturstudiums hatte ich zufällig den Bau von Katastrophenbehausungen zum Thema“.

Natürliche Barrikade

Ein Schädelknochen in der mit Laub bedeckten Grube erregt die Aufmerksamkeit der OÖN. „Der ist von einem Wildschwein“, sagt der ehemalige Architektur-Student, der danach auf Biologie umgesattelt hat. Ein umgestürzter Baum versperrt den Wanderern auf den Spuren der Au-Besetzer den Forstweg. „Die Natur errichtet ihre eigenen Barrikaden, die Au schützt sich selbst“, sagt der 62-Jährige, umgeht das Hindernis und zeigt auf Spuren im Matsch. Sie verraten: Hirsch und Wildschwein waren da.

Nationalpark erweitern

Das Revier der Tiere soll größer werden. „Die Erweiterung des Nationalparks steht aus. 2000 Hektar Petroneller Au sind noch nicht angegliedert, obwohl ein gesetzlicher Auftrag besteht“, sagt Jurist Heilingbrunner. Jetzt macht der Mitinitiator des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens privat rechtliche Beratungen und ist zudem Winzer und Gastronom. „Auf der Machtseite war ich auch. Vier Jahre bei Ministerin Flemming im Kabinett für Natur- und Umweltschutz.“

Mit der Auhirsch-Maske des verstorbenen Publizisten Günther Nenning auf dem Arm steht er auf dem ehemaligen Versammlungsplatz der Au-Besetzer nahe dem Forsthaus in Stopfenreuth. 25 Jahre später ist der Niederösterreicher wieder hierhergekommen, weil er neue Gefahren für die Donau-Auen sieht. Die Fahrrinne der Donau soll auf 2,80 Meter vertieft werden, damit riesige Frachtkähne problemlos verkehren können. Für „Rettet die Donau“ sammelt der Umweltdachverband Unterschriften.

Günter Schobesberger, der mit seiner zweiten Frau in einem Haus in Hainburg wohnt, ist wieder live dabei. „Ich liebe diese Au. Sie hat mir schon als Kind Trost gegeben, nachdem ich mit meiner Mutter nach Wien gezogen bin“, sagt er.

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19. April 2024