Als die Deutschen zweimal die Republik ausriefen

Von Markus Staudinger   09.November 2018

Bayern hat sich bereits zum Freistaat erklärt, jetzt spitzt sich auch in Berlin die Lage zu. Für den 9. November 1918 sind Massenproteste angekündigt.

Noch-Reichskanzler Max von Baden will deeskalieren und drängt Kaiser Wilhelm II. zur Abdankung – erfolglos. Daraufhin erklärt Max von Baden eigenmächtig dessen Thronverzicht und überträgt sein eigenes Amt als Kanzler an den Sozialdemokraten Friedrich Ebert.

Dann geht es schnell. Die Straßen sind voller Demonstranten, Gerüchte machen die Runde, dass Karl Liebknecht vom linken Spartakusbund eine Räterepublik ausrufen wolle. Dem will man im Lager der gemäßigten Sozialdemokraten zuvorkommen.

Um 14 Uhr tritt der SPD-Politiker Philipp Scheidemann – nach eigenen Angaben "zwischen Suppe und Nachspeise" – auf einen Balkon des Reichstagsgebäudes und ruft die Republik aus. Wenig später, um 16 Uhr, ruft Karl Liebknecht vor dem Berliner Stadtschloss die "freie sozialistische Republik Deutschland" aus.

Durchsetzen wird sich die sozialdemokratische Fraktion um Ebert und Scheidemann. Deutschland wird eine parlamentarisch-demokratische Republik. In Österreich wird die Republik drei Tage später, am 12. November, offiziell ausgerufen. Eine provisorische Regierung des neuen Staates Deutschösterreich hat sich aber bereits gebildet. Sie sendet am 9. November "im Augenblick der großen geschichtlichen Wendung (...) dem deutschen Volke ihren brüderlichen Gruß".

Geschichtsträchtiges Datum

Der 9. November wird in der deutschen Geschichte noch mehrmals eine Rolle spielen. Das Datum steht für Hoffnungen – wie bei der Republiksgründung 1918 oder beim Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989. Es steht aber auch für den Weg in die Gräueltaten der Nationalsozialisten. In der Nacht des 9. November 1938 erreichten die Novemberpogrome im NS-Herrschaftsgebiet ihren Höhepunkt. Auch in Linz wurde die Synagoge niedergebrannt.