Aktenaffäre: Wer nimmt auf dem Chefsessel Platz?

Von Anneliese Edlinger und Roland Vielhaber   04.Dezember 2018

Gestern, 13 Uhr, im Neuen Rathaus der Stadt Linz: Elf Tage nachdem Vizebürgermeisterin Karin Hörzing (SP) Unterlagen eingefordert hatte, trafen zwei Beamte der Finanzpolizei ein. Mit im Gepäck: eine Liste mit 579 "Fällen" aus den Jahren 2016 bis 2018. "Die Liste wurde akribisch genau erstellt. Aus unserer Sicht sind das alles Fälle, die noch offen sind", hieß es aus dem Finanzministerium. Gemeinsam mit den Beamten der Stadt wurde Fall für Fall durchgegangen.

Bis am frühen Abend dauerte dieses Treffen, teilte eine Sprecherin von Bürgermeister Klaus Luger (SP) mit. Die Auswertung habe ergeben, dass es sich bei den von der Finanzpolizei genannten Anzeigen um "irreparable Altfälle" bzw. um Akten nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz handle, die "nicht weiter verfolgbar" seien. Weitere Anzeigen der Finanzpolizei, die das Arbeitslosenversicherungsgesetz betreffen, sollen bis heute Abend im Detail analysiert werden.

Neu ist, dass ein früherer Leiter der Magistrats-Abteilung für Verwaltungsstrafen, in der die Aktenaffäre 2010 ihren Anfang nahm, auf seinen Posten zurückgekehrt ist. Der Jurist hatte die Stelle im März angetreten, danach aber gesundheitliche Probleme, er war im Krankenstand. Deshalb schrieb die Stadt erst vor wenigen Wochen die Stelle zum zweiten Mal aus – es soll rund zehn Bewerbungen gegeben haben. Ob einer von ihnen am Ende doch das Rennen für den mit 3398 Euro Brutto-Mindestgehalt dotierten Job machen wird?

Zur Erinnerung: Zu wenig Personal in der zuständigen Abteilung – sowohl der Rechnungshof (RH) als auch das Linzer Kontrollamt sehen darin einen Grund, dass derartig viele Anzeigen im Linzer Magistrat wegen gänzlicher "Untätigkeit der Behörde" verjährten. In seinem vertraulichen Rohbericht, der den OÖN vorliegt, beurteilte der Rechnungshof auch das Handeln von Bürgermeister Klaus Luger (SP), Magistratsdirektorin Martina Steininger sowie der Leiterin des Geschäftsbereichs "Abgaben und Steuern". Sie hätten verabsäumt, den Personalbedarf in der Abteilung rechtzeitig zu prüfen und festzulegen, kritisieren die Prüfer (die OÖN berichteten).

Tatsächlich dauerte es lange, bis die Abteilung nach Bekanntwerden der Probleme aufgestockt wurde. Vor Auffliegen der Affäre arbeiteten sechs Bedienstete in der Abteilung, mittlerweile sind es elf.