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Aktenaffäre: Viele unerledigte Fälle, aber kein Chef

24.November 2018

Das Neue Linzer Rathaus: Hier ist das Büro der Magistrats-Abteilung für Verwaltungsstrafen. Hier nahm die Linzer Aktenaffäre im Jahr 2010 ihren Ausgang. Hier blieben über einen Zeitraum von sieben Jahren rund 2000 Strafanzeigen einfach liegen. Blieben unbearbeitet. Verjährten. Ein neuer Leiter ist nicht zu finden. Obwohl die Stadt schon seit einem Jahr sucht.

Doch wer übernimmt diese Herausforderung? Gestern schoss das Finanzministerium erneut scharf gegen die Stadt Linz: Denn aktuell seien 1141 Fälle – unerledigte Anzeigen der Finanzpolizei – mit einem beantragten Strafvolumen von insgesamt rund drei Millionen Euro offen, hieß es in einer Presseaussendung des Bundesministeriums. Dabei seien lediglich 257 Fälle aus dem Jahr 2018, die restlichen könnten von einer Verjährung betroffen sein.

Der Personalmangel

Rückblick: Zu wenig Personal in der zuständigen Abteilung – sowohl der Rechnungshof (RH) als auch das Linzer Kontrollamt sehen darin einen Grund, dass derartig viele Anzeigen im Linzer Magistrat wegen gänzlicher "Untätigkeit der Behörde" verjährten. In seinem vertraulichen Rohbericht, der den OÖN vorliegt, beurteilte der Rechnungshof, auch das Handeln von Bürgermeister Klaus Luger (SP), Magistratsdirektorin Martina Steininger sowie der Leiterin des Geschäftsbereichs "Abgaben und Steuern". Sie hätten verabsäumt, den Personalbedarf in der Abteilung rechtzeitig zu prüfen und festzulegen, kritisieren die Prüfer (die OÖN berichteten).

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Tatsächlich dauerte es lange, bis die Abteilung nach Bekanntwerden der Probleme aufgestockt wurde. Vor Auffliegen der Affäre arbeiteten sechs Bedienstete in der Abteilung, mittlerweile sind es elf – wobei die ehemalige, langjährige Leiterin in eine andere Abteilung als "normale" Mitarbeiterin gewechselt ist. Ein Nachfolger für sie wurde nach wie vor nicht gefunden. Derzeit läuft der dritte Versuch.

Den ersten gab es im März, als ein kurz zuvor eingestellter Sachbearbeiter – laut Insider ohne Führungserfahrung – zum Chef gemacht wurde. Der Jurist warf kurze Zeit später aus gesundheitlichen Gründen das Handtuch. Es folgte der zweite Versuch: Bei der Ausschreibung des Postens gab es vier Bewerber, zu einer Einstellung kam es nicht. Der Erstgereihte nach einem Hearing zog seine Zusage laut Vize-Bürgermeisterin Karin Hörzing (SP) kurzfristig zurück.

Sind aller guten Dinge drei?

Mittlerweile ist der dritte Neu-Besetzungsversuch im Laufen. In der Job-Beschreibung steht unter anderem: Leitung schwieriger Verhandlungen und Qualitätssicherungen. Mindestbrutto-Gehalt: 3398 Euro, vorerst befristet auf ein Jahr. Die Bewerbungsfrist läuft bis Montag in einer Woche. Die provisorische Leitung liegt derzeit bei der übergeordneten Geschäftsbereich-Leiterin "Abgaben und Steuern". Wer die Leitungsfunktion übernehmen könnte? VP, Grüne und NEOS sind sich einig, dass einzig ein "echter Sanierer" die Probleme lösen könnte. Auch, weil das Finanzministerium die Stadt harsch kritisiert und fast täglich neue Zahlen zu unerledigten Fällen auf den Tisch legt. Die jüngsten Vorwürfe (die OÖN berichteten): Linz habe selbst nach Bekanntwerden der Aktenaffäre noch verfolgbare Fälle verjähren lassen. Vize-Bürgermeisterin Karin Hörzing (SP) sagte gestern im OÖN-Gespräch erneut, dass es sich aus ihrer Sicht um Altfälle handle. Man sei um eine lückenlose Aufklärung bemüht. Dazu benötige man aber auch Unterlagen der Finanzpolizei. Diese wurden ihr auch zugesichert und sollten spätestens bis Montag im Magistrat eintreffen.

In der Causa Aktenaffäre ermittelt auch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch gegen Bürgermeister Klaus Luger und fünf Magistratsbedienstete.

 

Eine Chronologie: Vom Auffliegen der Affäre bis heute

2. Juni 2016: Bürgermeister Klaus Luger sagt, er habe vom Problem erstmals am 2. Juni 2016 erfahren. An diesem Tag wendet sich der Regionalleiter der Finanzpolizei, Peter Weldy, an den Stadtchef und berichtet von sechs verjährten Fällen. Am 7. Juni beauftragt er Magistratsdirektorin Martina Steininger mit der Prüfung der Vorwürfe.

9. Juni 2016: In ihrer Stellungnahme an Bürgermeister und Magistratsdirektorin verweist die Leiterin des Geschäftsbereichs „Abgaben und Steuern“ laut Rechnungshof auf die steigende Zahl von Anzeigen und deren zeitaufwendige Bearbeitung. Eine offizielle Personalanforderung stellt der Geschäftsbereich erst Ende Mai 2017.

Eine Chronologie: Vom Auffliegen der Affäre bis heute
Klaus Luger, Karin Hörzing

Mitte September 2016: Laut Luger teilt ihm Magistratsdirektorin Steininger mündlich mit, die Klärung des Problems sei im Laufen, der Geschäftsbereich habe die Sache „im Griff“.

22. Dezember 2016: Die Finanzpolizei informiert den Bürgermeister in einer E-Mail, dass weitere 155 Anzeigen verjährt seien. Am 27. Dezember fordert Luger via Magistratsdirektion eine Stellungnahme des Geschäftsbereichs ein. Die Geschäftsbereichsleiterin verweist laut RH darauf, dass man Überstunden erhöht habe und bemüht sei, trotz knapper personeller Ressourcen „möglichst viele Verfahren einzuleiten“.

Februar 2017: Ein Bericht des Kontrollamts der Stadt Linz weist auf die vielen Verfahrenseinstellungen in der Abteilung hin. Im März bekommen auch die anderen Stadtparteien darüber Kenntnis. „Intern“ seien der Personalmangel in der Abteilung und die dadurch bedingten Verjährungen „seit Jahren bekannt“, stellt das Kontrollamt fest.

22. Mai 2017: Die Finanzpolizei zeigt die Stadt Linz bei der Staatsanwaltschaft an. Bald wird das Problem öffentlich bekannt. Luger beauftragt das Kontrollamt mit einer vertieften Prüfung – und fordert eine Stellungnahme der Personaldirektion ein. Der Personalstand wird in Folge sukzessive aufgestockt.

21. November 2018: Die Finanzpolizei erhebt bezüglich Schwarzarbeit und Sozialdumping neue Vorwürfe gegen die Stadt. Demnach seien auch nach der Anzeige gegen die Stadt im Mai 2017 zumindest 70 weitere Fälle wegen Verjährung eingestellt worden. Vizebürgermeisterin Karin Hörzing spricht von „Altfällen“. Aktuell seien nach wie vor 1141 Fälle – unerledigte Anzeigen der Finanzpolizei – offen, heißt es aus dem Finanzministerium.

 

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20. April 2024