"Abgestürzt ist jeder schon einmal"
ALLHAMING. Mit ihrem Zirkus tourt Familie Spindler durchs Land – Ein Blick hinter die Kulissen.
Langsam rollt der Tross die Dorfstraße hinunter, vorbei an Kirche und Gasthaus. Die Kurven werden von der milden Herbstsonne bestrahlt. Und dann, endlich: Die Reifen der Wohnwagen rollen über das Gras und beziehen langsam auf dem Feld Stellung. Die Gesellschaft ist angekommen. Wieder einmal.
Was sich wie der Beginn einer Urlaubsreise anhört, ist in Wirklichkeit der alltägliche Wochenstart von Christian und Ramona Spindler. Die gebürtigen Berliner sind Geschwister und seit März 2012 das Herzstück des fünfköpfigen "Circus Alfoni". Er ist 44, sie 39. Und wie schon ihre Eltern, ihre sechs Geschwister sowie die über 60 Cousinen und Cousins ein Leben lang Clown bzw. Artistin. Und noch vieles mehr. Gemeinsam mit Christians Frau Yvonne, Nichte Fiona und einem Helfer halten sie das Herz des Familienzirkus am Pochen. Treten in unterschiedlichen Formationen und Rollen auf, bedienen Popcorn-Maschine, Scheinwerfer, Musikanlage oder das Mikrofon.
Alleskönner und Tierliebe
Sobald die Wohnwagen und der Anhänger mit den Tieren postiert sind, wird die Wiese wie hier am Ortsrand von Allhaming (Bezirk Linz-Land) mit Leben gefüllt, das Zirkuszelt aufgefaltet und zum Aufbau zurechtgelegt. Sieben Sunden sind vier Erwachsene damit beschäftigt. Und auch die 13 Zirkustiere – Pferd, Ponys, Ziegen und Hunde – dürfen erst einmal herumtollen, Gras fressen, Tier sein.
Artgerechte Tierhaltung, sagt Christian Spindler, sei Teil ihrer Philosophie. "Die Hälfte unserer Besucher kommt wegen der Tiere", sagt der 44-Jährige und zählt das Wichtigste für die Pflege auf: ausreichend Nahrung, Auslauf und so wenig Druck wie möglich. Letzteres kommt etwa "Wulle", einer schwarz-weiß gefleckten Chinesischen Laufente, zupass. Weil sie zu laut quakt, wenn sie eingesperrt ist, bleibt sie frei. Aufgrund ihrer Eigensinnigkeit kann aber auch ihr Auftritt nie fix eingeplant werden – darf sie doch nur kurz vor Vorstellungsbeginn und dazu nur von einem Mann eingefangen werden. Frauen mag sie nicht, die beißt sie.
Motivation im halbleeren Zelt
Apropos Zeit: Auch wenn sich die Zirkusleute diese abseits der Vorstellungen frei einteilen können, gibt es auch in diesem Metier Fixpunkte, wie das Verteilen von Flyern oder den Ort, eine Wiese, für die kommenden Gastspiele – bevorzugt in Oberösterreich – zu finden. Hierfür fahren die Geschwister Anfang der Woche die Gegend ab. "Dabei ist entscheidend, ob hier schon länger kein Zirkus mehr war", sagt der 44-Jährige, der im "Alfoni" als "Clown Banane" seine Späße treibt.
Fündig werden die Spindlers meist bei Landwirten. Auch ortseigene Veranstaltungen, sei es ein Schulkonzert oder ein Begräbnis, werden bei der Ortswahl berücksichtigt. Schließlich soll die Auslastung halbwegs stimmen. Obwohl: Aufgetreten wird auch, wenn nur fünf der 100 Plastiksesseln vergeben sind. "Du musst immer motiviert sein, auch wenn das Zelt halbleer ist", sagt Ramona. "Dieses Leben musst du lieben und mit dem Herz dabei sein."
Sinnfrage wird weggelacht
Die Spindlers tun das. Mit allen Höhen und Tiefen. Mit viel Applaus und strahlendem Kinderlachen oder eben mit (halb-)leeren Kassen und missglückten Auftritten. "Wenn im Winter die Hände an den Eisenstangen des Zelts festkleben", sagt Christian Spindler, "frage ich mich schon mal, warum tu’ ich mir das an." Und dann sei da eben das Kinderlachen der Motivationsschub für die eisigen Zeiten.
Erst ein Mal, 2014 in Helfenberg, sei die Vorstellung ausverkauft gewesen. Bei einer durchschnittlichen Auslastung würden den Geschwistern knapp 300 Euro Gewinn je Auftritt bleiben. Geteilt wird halbe halbe, wie sonst auch alles in einer Zirkusfamilie, sagt Ramona Spindler. Zusammenhalt ein Leben lang.
Vieles von den Unwägbarkeiten wird weggelacht: "Abgestürzt ist jeder schon einmal", erzählt die Artistin von verdrehten Handgelenken und Keulen, die auf dem Kopf anstatt in der Hand landen. Entscheidend sei nur, wie man damit umgeht. Am besten elegant – und mit einem Lächeln. "Unser Job ist ein Glücksspiel", so der Zirkuschef.
Dass die Nummern von Kindesbeinen an sitzen müssen, weiß Fiona, die jüngste Alfoni-Artistin. Bei ihrem ersten Auftritt war sie vier, seither begeistert sie am Trapez oder auch mit 15 Stück an der Hüfte kreisenden Hula-Hoop-Reifen. Ausgelernt hat die Elfjährige aber noch lange nicht. Untertags besucht Fiona im jeweiligen Auftrittsort den Unterricht der Mittelschule, nachmittags zeigt ihr regelmäßig ein Artistenlehrer neue Tricks. Die Rast- und Ruhelosigkeit einer Zirkusfamilie stört sie nicht, im Gegenteil: "Ich finde es schön, neue Leute und Orte kennenzulernen."
Es ist wieder Wochenbeginn. Das rot-weiß gestreifte Zelt und das Gehege sind längst wieder abgebaut, die Tiere im Wagen. - Der Tross ist wieder abreisebereit.
Gewinnspiel:
Wir verlosen zehn Freikarten für eine Aufführung des Zirkus Alfoni zwischen 20. und 22. Oktober in Buchkirchen. Der Termin ist frei wählbar.
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heute wo nur noch nach Sensationen geschaut wird hat so eine Showbude wenig Chancen.
Sessel im Plural : Nominativ die Sessel
Genitiv der Sessel
( nur ) Dativ den Sesseln
Akkusativ die Sessel
Ablativ plural futur
Altersarmut vorprogrammiert. Ewig kann man ja nicht auf dem Trapez herumturnen. Und bei 150 Euro Gewinn pro Erwachsenem, an guten Tagen, bleibt wahrscheinlich nicht viel für die private Altersvorsorge bzw. zahlt man auch kein Vermögen in die staatliche Pensionskasse ein.
Die Spindlers, das ist ein Familienclan aus der ehemaligen DDR. Diese Künstler erhalten sich gegenseitig und schätzen sich auch sehr hoch. Die Kinder sind zum Beispiel auch vom Schulbesuch befreit. Die haben alte Traditionen, welche sich schon lange Zeit bewährt haben.
Deren Lebensstandard, das ist ausschliesslich die Cirkuswelt. Hier gibt es keinen Neid untereinander. Ich war einmal bei einem Begräbnis. Da trifft sich die ganze Welt. So verstreut ist dieses Clanwesen.