"Abdecken von Hakenkreuzen und Hassparolen ist keine Lösung"

Von Martin Dunst   07.März 2015

Nach 23 Jahren Aufenthalt in Kärnten hat es die gebürtige Bad Ischlerin Gudrun Blohberger (43) nach Oberösterreich zurückgezogen. Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern ist seit Mitte Jänner als neue pädagogische Leiterin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen tätig. Blohberger hat Pädagogik studiert und engagierte sich unter anderem ehrenamtlich an der Gedenkstätte Persmanhof. Dabei handelt es sich um einen Gedenkort, der die Geschichte der Kärntner Slowenen und ihren Widerstand gegen das Naziregime beleuchtet. Die OÖNachrichten sprachen mit der neuen Leiterin über ihren Arbeitsplatz, Anrainer und Schmieraktionen.

OÖNachrichten: Bei der Anreise zur KZ-Gedenkstätte Mauthausen rücken nach der letzten Steigung die bedrohlichen Mauern des ehemaligen KZ immer näher. Ein beklemmendes Gefühl breitet sich in der Magengegend aus. Wie schaffen Sie es, an einem Ort zu arbeiten, an dem so viele Menschen ermordet worden sind?

Blohberger: Als Besucherin konnte ich mir nie vorstellen, hier einmal zu arbeiten, jeden Tag ein und aus zu gehen. Das ist mit Sicherheit kein gewöhnlicher Arbeitsplatz. Aber die Arbeit, die hier passiert, ist mir wichtig, und sie ist interessant, etwa wenn ich mit Überlebenden zusammentreffe. Da steht die Beklemmung nicht im Vordergrund. Ich muss sagen, hier zu arbeiten, belastet mich weniger, als ich befürchtet hatte. Aber ich bin schon froh, dass ich in meiner Funktion auch regelmäßig von Wien aus arbeite.

Mauthausen steht als Synonym für Terror, Folter und Tod. Ein Großteil der Besucher ist mit rund 14 Jahren noch sehr jung. Wenn ich Sie als Mutter frage, würden Sie die eigenen Kinder nicht vor dieser Geschichte und vor diesem Ort schützen wollen?

Bei mir zu Hause war dieses Thema immer präsent. Ich habe nicht versucht, meine Kinder zu schonen. Die Auseinandersetzung mit dieser Zeit war selbstverständlich. Es ist also nicht so, dass ich meinen Kindern jahrelang eine heile Welt vorgegaukelt habe, und dann kam es plötzlich von einem Tag auf den anderen zu Schockerlebnissen. Wir haben uns da viel in der Familie ausgetauscht. Als Pädagogin bin ich überzeugt, Mauthausen ist jugendlichen Besuchern zuzumuten. Allerdings hängt viel von der Vorbereitung ab und von der Auseinandersetzung mit diesem Ort. Ich halte nichts davon, Teile der Geschichte zu verschweigen. Aber in der Vermittlung der Geschichte ist auf das Alter der Besucher Rücksicht zu nehmen, und Schüler dürfen mit diesem Ort nicht alleingelassen werden.

Immer wieder sind Menschen an der Gedenkstätte zu beobachten, die ihren Hund entlang der Mauer äußerln führen, die Todesstiege hinaufjoggen oder unmittelbar auf der anderen Seite des Stacheldrahts Getreide anbauen. Wie gehen Sie damit um?

Ich wohne seit kurzem selbst im Nahbereich der Gedenkstätte in Ried in der Riedmark. Ja, es gibt Menschen, die seit Jahren in Sichtweite zum ehemaligen KZ wohnen, aber die Gedenkstätte noch nie besucht haben. Das ehemalige KZ ist dennoch Teil ihres Alltags. Ich sage offensiv, dass ich in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen arbeite und was ich dort mache. Das ruft größtenteils Interesse hervor. Ich biete meinen Nachbarn auch an, gemeinsam mit mir das Areal zu erkunden. Dieses Angebot wird gerne angenommen. Da hat sich aus meiner Sicht im Lauf der Zeit etwas verändert. Mit dem immer größer werdenden zeitlichen Abstand zu den Geschehnissen wächst das Interesse, wird der Impuls, vielleicht etwas wegschieben zu müssen, immer schwächer.

Gab es dennoch auch Begegnungen oder Momente, die Sie erst einmal verdauen mussten?

Mich erstaunt der oft unbedachte Umgang mit diesem Ort, der sich vor allem in der Umgangssprache widerspiegelt. Bei einem Telefonat sagte mein Gegenüber zu mir: "Ah! Sind Sie die Neue oben im Lager?" Im Alltag ist kaum die Rede von der Gedenkstätte, sondern fast immer vom "KZ" oder vom "Lager". Da fehlt es vielfach noch an Bewusstsein.

Immer wieder tauchen an den Lagermauern Hakenkreuze oder ausländerfeindliche Parolen auf. Einmal werden diese auf Geheiß des Innenministeriums abgedeckt, dann wieder nicht.

Ich wünsche mir, dass solche Schmieraktionen mit Nazi-Parolen gar nicht mehr vorkommen. An der Gedenkstätte werden übrigens nicht nur Hakenkreuze hinterlassen, sondern auch viele positive und nachdenkliche Botschaften. Aus meiner Sicht ist das Verdecken von Hakenkreuzen und rassistischen Äußerungen keine gute Lösung. Ich schaue lieber hin, um damit zu arbeiten. Ich verstehe aber auch die Seite der Überlebenden und deren Angehörige, die sich von solchen Schmierereien zutiefst verletzt fühlen.

 

Neue Vermittler gesucht

1 Das Konzentrationslager Mauthausen war das größte KZ der Nationalsozialisten auf österreichischem Boden. Es befand sich 20 Kilometer östlich von Linz und bestand vom 8. August 1938 bis zu seiner Auflösung nach der Befreiung durch amerikanische Truppen am 5. Mai 1945. Im KZ Mauthausen und seinen Nebenlagern sind rund 100.000 Menschen ums Leben gekommen.

2 Die Pädagogik an der Gedenkstätte bildet wieder Vermittler aus, die Besucher auf Rundgängen begleiten. Diese Rundgänge sollen, basierend auf historischen Informationen, zur Reflexion von Bezügen zum Ich anregen. Nach drei Ausbildungen arbeiten derzeit 60 Vermittler an der KZ-Gedenkstätte. Am 26. März findet um 18 Uhr an der Gedenkstätte ein Informationsabend statt.