Årg! Hoamatgsang auf Hochdeutsch

Von Klaus Buttinger   14.Jänner 2012

Jochen kommt unüberhörbar aus Sachsen und hat auf dem Youtube-Video (Suchworte: Hoamatland – Heimatland) sichtlich Mühe, den Mundart-Text der Landeshymne zu lesen. Den Passus „Áf’n Hechl bin ich glegn“, versteht er nicht. Kurz darauf singt der Ostdeutsche die Worte des Dichters Franz Stelzhamer, allerdings auf Hochdeutsch. Das gelingt ihm passabel.

Dietmar Füssel ist der Kopf hinter der Youtube-Aktion. Der Innviertler Schriftsteller erklärt auf dem Video: „Die oberösterreichische Landeshymne hat bekanntlich eine sehr einfache Melodie. Allerdings hat Franz Stelzhamer den Text in Mundart geschrieben, und das bedeutet, dass Menschen mit Migrationshintergrund sehr große Schwierigkeiten damit haben. Daher habe ich mich dazu entschlossen, eine hochdeutsche Version der Landeshymne zu schreiben, damit auch Menschen mit Migrationshintergrund in Zukunft mitsingen können.“

Dazu angeregt habe ihn die Reform der österreichischen Bundeshymne, sagt Füssel. „Die erschien mir genauso notwendig wie ein hochdeutscher Text der oberösterreichischen Landeshymne“. Es könne auch zu viel an politischer Korrektheit geben, meint Füssel, der für seine Textänderungsvorschläge (siehe Notenblatt rechts, rote Schrift) „keine wirkliche Notwendigkeit“ sieht. „Der Spaß steht im Vordergrund“.

Ein reines Gaudium ist die hochdeutsche Landeshymne allerdings nicht. Jochen, der tapfere Sänger aus Sachsen, und seine Frau Sigrun sind tatsächlich Migranten. Die Herrschuhs werden in wenigen Wochen nach Österreich übersiedeln. Die treibende Emigrationskraft ist Sigrun Herrschuh. Seit sie mit ihrem Mann 1995 auf Hochzeitsreise im Salzkammergut weilte, lässt sie die schöne Region nicht mehr los. „Es hat uns so gefallen, dass sich der Gedanke zu übersiedeln, langsam entwickelt hat“, sagt sie.

Jochen: „Alles so harmonisch.“

Das Rentnerpaar machte immer wieder Urlaub im Attergau, bis der Entschluss zum Auswandern feststand. Derzeit sichten der ehemalige Elektriker und seine Frau Immobilienangebote. Ein Häuschen haben sie in Aussicht. „Hier ist man dem Himmel ein Stück näher“, sagt Jochen. „Uns gefällt die Mentalität der Menschen im Salzkammergut. Sie sind aufgeschlossen und zugänglich und doch heimatgebunden. Alles ist so harmonisch.“

Bis auf den Dialekt. „Damit habe ich mir schwergetan“, gesteht Herrschuh, der von Füssels Freundin und Kamerafrau Mony eingeladen wurde, bei dem Video mitzuwirken. „Die ersten Versuche, Dialekt zu sprechen, sind mir nicht gelungen. Aber ich werde mir weiter Mühe geben, den Dialekt zu verstehen, damit ich keinen Dolmetscher brauche, wenn ich mit den Eingeborenen spreche“, sagt Jochen, für den der Spaß beim Youtube-Dreh entscheidend fürs Mitmachen war. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Einheimischen an der Hymne etwas verändern lassen. Wenn man als Zugereister bei Feierlichkeiten dabei ist, kann man aber die hochdeutsche Version mitsingen, natürlich leise.“

Urheberrechtliche Probleme

Dezent äußert sich Landeshauptmann Josef Pühringer über den hochdeutschen Vorstoß: „Ich treffe oft Migranten, die unseren Dialekt bestens beherrschen. Die Übertragung der OÖ. Landeshymne in Schriftsprache ist ein lobenswerter Versuch für das Verstehen des Mundarttextes und begrüßenswert. Aber abgesehen von den urheberrechtlichen Problemen, die natürlich entstehen, wenn man einen Text eines verstorbenen Mundartdichters ändert, sind wir alle stolz, dass wir eines der wenigen Länder sind, die die Hymne in der Mundart haben. Das ist ein Zeichen der besonderen Identität.“

Landesmusikdirektor Walter Rescheneder stößt ins selbe Horn: „Musik und Text – vor allem auch die Sprache – ist oberösterreichische Kulturidentität und bedarf keiner Änderung. Im ,großen Europa‘ spricht man von der Bewahrung der regionalen Kulturgüter, warum sollte man gerade bei einer Landeshymne die Mundart aufgeben?“

Die Schuster-Connection

Ganz und gar keine Jubelchöre stimmt Stelzhamerbund-Obmann Klaus Huber in seiner Textkritik der „hochdeutschen“ Hymne an: „,auf dem Hügel ich lag‘ ist schwach, ,die Sonn hat mich trocknet‘ ist schlimm, ,wenn mich nässte Niederschlag‘ ist ein Tiefschlag.“ Kurz: „Des is uns grad nu abganga!“, seufzt Huber.

Andererseits: Es kann fast kein Zufall sein, dass die Herrschuhs auf den Hoamatgsang kamen? In ihrem Familienwappen (siehe oben) führen sie einen Schuster, wahrscheinlich zurückgehend auf Holzschuhmacher aus dem 17. Jahrhundert. Der Komponist der Hoamatgsang-Melodie, Hans Schnopfhagen, hatte die anregende Hymnen-Harmonie noch 1884 für das Stelzhamer-Gedicht „Da gehat Schuasta“ vorgesehen. Darin heißt es: „I roas hi, i roas he, i roas af, i roas zua, I bi halt ön gehatn Schuasta san Bua. ...“ Quasi ein Migrantenschicksal, das da ursprünglich besungen werden sollte. Wundert es da noch, dass die Herrschuhs begeisterte Wanderer sind? Der alte Stelzhamer hätte bestimmt eine Freud’ mit den zwoa Zuagroastn.