61-Jähriger starb im Spital nach falscher Infusion

Von nachrichten.at/nieg/kri   06.Oktober 2017

Es sei nicht auszuschließen, dass eine weitere schwer kranke Patientin, die ebenfalls mit dem Medikament behandelt wurde, daran verstorben ist, hieß es. Auch zwei weitere Patienten könnten von der folgenschweren Verwechslung betroffen sein. Diese hätten jedoch keine gesundheitlichen Folgeschäden davongetragen. 

Der 61-Jährige war am vergangenen Samstag mit Vorhofflimmern mit dem Notarzt in das Spital in Kirchdorf an der Krems eingeliefert worden. Dort wurde er auf die Intensivstation verlegt. Im Laborbefund zeigt sich u.a. ein
Kaliummangel. Daraufhin erfolgte die ärztliche Verordnung von Kalium/Magnesium „spezial“ neben anderen Medikamenten gegen das Vorhofflimmern.

Video: Karl Lehner von der gespag, die an einer lückenlosen Aufklärung der Medikamentenverwechslung interessiert ist, gibt einen Überblick über die Geschehnisse und spricht über Konsequenzen.

Akutes Nierenversagen

Nach Start der Infusion durch einen Mitarbeiter der Pflege klagte der Patient dann über Brennen im Mund, Gesicht und in beiden Händen und wies dazu eine erhöhte Herzfrequenz auf. Eine allergische Reaktion auf ein gegen das Vorhofflimmern eingesetzte Medikament "Sedacoron" wurde vermutet. Nachdem sich die Symptomatik verbessert habe, sei dieses schließlich abgesetzt worden. Die Infusion sei hingegen fortgesetzt und zur Gänze verabreicht worden. 

Später zeigte eine Blutgaskontrolle einen Anstieg des Kalziumwertes. Zudem wurde überprüft, wie viel Kalzium in den bereits verabreichten Medikamenten war. Der Abteilungsleiter hegte den Verdacht einer Hyperkalzämie - einer Störung des Calcium- und Phosphathaushaltes. Er leitete eine erhöhte Harnausscheidung zur Senkung des Wertes ein.

Wie sich herausstellte, hatte der 61-Jährige statt Kalium eine Calciumchlorid Magnesiumchlorid-Infusion erhalten. In der Nacht auf Sonntag erlitt der 61-Jährige ein beginnendes, akutes Nierenversagen und musste wegen eines akuten Atemnotsyndroms intubiert und künstlich beatmet werden. Das Krankenhaus kontaktierte mehrere Spezialisten, unter anderem die Vergiftungszentrale. 

Nachdem sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hatte, wurde er schließlich am vergangenen Montag mit dem Hubschrauber in eine Spezialabteilung des Universitätsklinikums Wien verlegt. Dort verstarb der 61-Jährige tags darauf. 

"Folgenschwerer Individualfehler"

„Bedauerlicherweise können dort, wo Menschen arbeiten, auch Fehler passieren, so auch in einem Krankenhaus. Wir können diese leider nicht zu 100 Prozent ausschließen. Wichtig ist uns an dieser Stelle auch festzuhalten, dass wir vollstes Vertrauen zu unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben. Sie alle sind täglich mit großem
Engagement für die Patienten und Patientinnen im Einsatz, arbeiten aber in einem hochriskanten Umfeld, wo sich Fehler leider fatal auswirken können“, sagte gespag-Vorstand Karl Lehner.

Das gespag-Qualitätsmanagement habe zum anderen alle Krankenhausleitungen der gespag über den Fall in Kenntnis gesetzt und angewiesen, alle Mitarbeiter/innen erneut zu sensibilisieren, jedes Medikament vor Verabreichung intensiv zu prüfen. Der aktuelle Vorfall sowie die drei Verdachtsfälle wurde mittlerweile an die Staatsanwaltschaft Steyr mittels einer Sachverhaltsdarstellung weitergeleitet.

"Die Transportschachteln, in denen sich jeweils zwölf Gebinde mit dem Kalium und Kalzium befinden, werden in unterschiedlichen Räumen deponiert", sagte der Ärztliche Direktor des LKH Kirchdorf, Oswald Schuberth: "In diesem Fall dürfte dabei aber ein Pfleger beim Einordnen eine Schachtel Kalzium zu den Kalium-Gebinden gestellt haben." Beide hätten unterschiedliche Etikettierungen, würden sich aber der Form nach kaum unterscheiden. Dadurch dürfte die Verwechslung passiert sein. Der Pfleger, der dann dem 61-Jährigen die fatale Infusion verabreichte, wurde mittlerweile auf eigenen Wunsch beurlaubt. Das gesamte Pflegeteam des LKH Kirchdorf wird psychologisch betreut.

Ärztlicher Direktor Oswald Schuberth und Vorstandssprecher Karl Lehner

Ärztlicher Direktor Oswald Schuberth und Vorstandssprecher Karl Lehner (Foto: Weihbold)

Aufregung wegen Ungeziefer 

Das LKH Kirchdorf hatte zuletzt im September 2016 für negative Schagzeilen gesorgt: In einem der Operationssäle war an der Decke eine Kellerassel entdeckt worden. Das Ungeziefer war im Zuge der Generalsanierung des Hauses von einer Baustelle in den OP-Trakt gekommen. Alle fünf Operationssäle mussten daraufhin für mehrere Tage gesperrt werden

Video: Wolfgang Schnaitl (ORF) berichtet über die Konsequenzen, die der Betreiber des Spitals nach der Infusionsverwechslung zieht.