6026 Gipfel für sein Lebenswerk
Martin Siegl aus Haid bei Ansfelden lebt nach seinen eigenen Regeln. Mit diesen will er alle Berge Österreichs besteigen. Gabriel Egger über einen Sammler, der Gipfel jagt.
Martin Siegl hat schon an vielen Büchern mitgewirkt. An ganz seltenen Exemplaren und an jenen, die so schnell an Aktualität verlieren, dass sie mehrmals im Jahr neu aufgelegt werden müssen. Meist hinterlässt er dort nur seinen Namen. Dann zieht er weiter. Zum nächsten Gipfel, auch wenn ihn dort kein Buch, sondern loses Gestein und Steilgras erwarten. So oft, bis er über alle Berge ist.
Der 53-Jährige aus Haid bei Ansfelden lebt im Überfluss: Er ist reich an Höhepunkten. Denn Siegls Ziel ist es, alle Berge Österreichs zu besteigen. Auf seine Art. "Ein Berg gilt bei mir erst ab 999 Metern Höhe als Berg. Zudem müssen zwischen den Gipfeln 60 Höhenmeter zu absolvieren sein, dass ich ihn auf meine Liste setze", erklärt Siegl die vertikalen Spielregeln. Seilbahn, E-Bike und Auto sind beim Anstieg verboten. "Das Mountainbike darf ich verwenden. Was zählt, ist die eigene Muskelkraft."
Aller guten Dinge sind drei
Dreimal hat er mit seinem Projekt, das den Charakter eines Lebenswerkes hat, bereits begonnen. Der technische Fortschritt war für den begeisterten Bergsteiger ein Schritt zurück. "Beim ersten Mal habe ich mir meine Gipfel nur aufgeschrieben. Darum wollte ich neu anfangen", erinnert er sich an den 14. Dezember 2008. Da begann das eifrige Gipfelsammeln ein zweites Mal. Diesmal mit Fotobeweis.
Oberösterreichs 416 Kogel, Wipfel und Gipfel hatte er 2012 bereits nach seinen Kriterien abgegrast, als er sein Projekt dem damaligen Landeshauptmann Josef Pühringer vorstellte. Einen Glückwunsch später stand Siegl erneut an der Startlinie. "Am 30. Juni 2012 habe ich zum dritten Mal angefangen. Diesmal mit GPS-Koordinaten." Ganz Niederösterreich hat der 53-Jährige seitdem von oben gesehen. 279 Mal stand er über 999 Metern Seehöhe. Ein Gipfel soll es mindestens pro Tag sein, 693 waren es alleine im vergangenen Jahr. Zeit, die Martin Siegl nur hat, weil er auf vieles verzichtet. "Ich habe keine eigene Familie und auch keine Freundin. Sonst hätte ich das wahrscheinlich ohnehin nie gemacht. Ich habe auch aufgehört, einem Vollzeit-Job nachzugehen, um meine Träume zu leben", sagt er.
Wenn es einmal schnell gehen muss, läuft der 53-Jährige an einem Tag auch mehrere Gipfel ab
Als 13-Jähriger alleine im Gesäuse
27 Jahre lang hat der gelernte Zimmerer in der Nettingsdorfer Papierfabrik gearbeitet. Jetzt zahlt er seine Rechnungen mit einem Job an der Geringfügigkeitsgrenze. "Das reicht mir zum Leben. Damit komme ich ganz gut über die Runden."
Dass Martin Siegl ein lupenreiner Schönwetterbergsteiger ist, versteht man spätestens dann, wenn man weiß, wie schwierig die Gipfel sind, die er einsammeln will. "Im Wilden Kaiser habe ich schon einmal drei Anläufe für einen exponierten Zacken gebraucht." Dann heißt es auch mal Klettern bis zum sechsten Schwierigkeitsgrad – alleine. Nur in ewiger Symbiose mit der Wanderkarte.
Früh übt sich, wer ganz Österreich aus der Vogelperspektive betrachten will. In Siegls Fall mit sechs Jahren. Traunstein, Warscheneck, Traunstein, Warscheneck, Traunstein. "Meine Eltern sind immer auf dieselben Berge gegangen. Ich wollte mehr sehen", erinnert sich Siegl. Mit 13 Jahren saß er alleine im Zug ins steirische Gesäuse und erkletterte in festem Fels die dunklen Wände.
Der Sammler: 693 Gipfel waren es alleine im Jahr 2016. Bis 2027 will der Bergsteiger aus Haid/Ansfelden fertig sein.
Trotz der vielen Abenteuer ist Siegl bescheiden geblieben. Kein Internetauftritt, keine Vorträge, keine veröffentlichten Fotos. Und das, obwohl er auf seinen alpinen Streifzügen bislang mehr als 150.000 Fotos geknipst hat. Mit 63 Jahren, im Jahr 2027, will er das Fotoalbum voll haben. 6026 Gipfel sollen es schmücken. Vielleicht schreibt Martin Siegl dann mehr als nur seinen Namen in ein Buch. Stoff dafür gebe es genug.
Berg heil 👍👍
Fährt er Diesl