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Der Verkehr der Zukunft: Wie die Mobilität im Jahr 2030 aussieht

Von Hermann Knoflacher   27.November 2021

Von der Zukunft weiß man, dass sie ungewiss ist. Drei Dinge kann man aber zur Mobilität 2030 sagen...

  • Die mittlere Zahl der Wege pro Tag und Person wird der heutigen entsprechen.
  • Der Zeitaufwand für räumliche Mobilität wird wie heute etwas mehr als eine Stunde betragen.
  • Alles andere bestimmen die Strukturen, die wir gestalten, daher von geistiger Mobilität.

In den vergangenen beiden Jahrhunderten begann sich in der fossil angetriebenen industriellen Gesellschaft die Vorstellung "schneller, weiter, größer" durchzusetzen. Handeln – und das so schnell wie möglich – forderte das Kapital, nicht Denken, denn das hält auf. Die Verantwortung für das Handeln und seine Grenzen wurde ausgeblendet. Das, meint man noch immer, würde die Entwicklung bremsen. Anwendungsorientierte und nicht Grundlagenforschung wird daher gefördert. Effizientes Eingreifen wurde gelehrt, Ausbildung war gefragt und honoriert, nicht Bildung. Ausgestattet mit Werkzeugen, die die Körperenergie mit fossiler, billiger und leicht verfügbarer Energie um Zehnerpotenzen übersteigen, konnte sich eine auf das Anthropozentrische reduzierte Weltsicht entwickeln, die den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Mit Eisenbahnen, Flugverkehr, Auto und Elektronik wurden die einstigen räumlichen Barrieren des Fußgängers Mensch auf mühelose Weise überwunden und der Eindruck einer grenzenlosen Freiheit erweckt. Trotzdem meldete sich die Sorge um die Zukunft der Menschheit.

Der italienische Industrielle Roberto Peccei war einer der Besorgten und löste mit seiner Rede 1965 das aus, was 1972 zum Bericht "Limits to Growth" führte, mit dem Nachweis, dass die damalige und heutige Wirtschaftsform nicht in die erwartete Zukunft, sondern in den Kollaps führen wird, wenn man nicht sofort gegensteuert.

Das weiß man seit 40 Jahren, aber dieser Entwicklungspfad wurde nicht verändert. Die Gewinner können sich offensichtlich nicht vorstellen, dass sie auf dem Irrweg sind. Ein wesentlicher Teil davon ist die heute übliche Vorstellung von Mobilität, worunter man das Herumfahren oder die zurückgelegten Kilometer versteht. In der Wirtschaft als "Verkehrsleistung" bezeichnet, für die der Staat – also wir – die Infrastruktur zu bezahlen und zu erhalten haben.

Das gilt auch für den derzeit erfolgreichsten industriellen Wirtschaftszweig für Mobilität, die so genannte "Digitalisierung". Die Methode "Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren" ist auch politisch deshalb möglich, weil man die Zusammenhänge nicht mehr versteht, die außerhalb der Grenzen menschlicher Wahrnehmung stattfinden. Als Folge dieses Handelns treten nun in unerwünschter, kaum oder nicht mehr beeinflussbarer Form Klimawandel und das Artensterben als Grenzen auf, die mit atemberaubender Beschleunigung vieles verändern werden, auch die hypertrophe Form unserer gewohnten Mobilität. Aber selbst davor verschließt man die Augen, wie der "Klimagipfel" in Glasgow zeigt.

"Wer es nicht im Kopf hat..."

Für die Mobilität 2030 bedeutet das Beachten dieser Grenzen: langsamer, sparsamer, intelligenter, und das so schnell wie möglich. Für die Autogesellschaft bedeutet das den individuellen Verzicht auf 100 PS und mehr zugunsten von 0,1 bis 0,2 PS, für die unser Hirn ausgestattet ist. Dort entscheidet unser Aufwand an "Elektromobilität" über unser Verhalten und nicht der Motor. Mit dem Austausch von fossil auf "elektro", auf den sich heute nahezu alle stürzen, wird das nicht gelingen, das Auto ist noch immer dabei und weckt die Illusion, klimafreundlich unterwegs zu sein. Denn es lenkt das Interesse der Menschen in seine Richtung und nicht in die des Überlebens der Menschheit. Das aber weiß man ohnehin schon lange: "Wer es nicht im Kopf hat, muss es in den Beinen haben."

Der neue Weg erfordert Mut

Dieser Weg "Raus aus der Autofalle" erfordert Mut. Individuell sollte mit dem Auto nur noch unterwegs sein, wer muss: Behinderte, die Wirtschaft, das Handwerk und Privatautos nur außerhalb menschlicher Siedlungen. Das sind weniger als zehn Prozent unseres aktuellen Verkehrsaufwandes. Städte, die das erkannt haben, tun sich leichter, auf dem Land, das durch die allgemeine Motorisierung zum Opfer dieser Entwicklung wurde, wird diese Reduktion schwieriger. Dort können die Menschen teilweise nicht ohne Auto existieren, weil man ihnen auch die Alternative der Eisenbahnen "abgeräumt" hat und die Siedlungsentwicklung ungehemmt wuchern ließ.

Die Ressourcen für das Überleben liegen aber am Land und nicht in den Städten. Und wir haben Jahrhunderte ohne das Auto gelebt, wir müssten hier nichts Neues erfinden. Der autofreie Individualverkehr wäre übrigens nachhaltig und wir würden viel gewinnen. Weil alles – Geschäfte, Fabriken etc. – kleinteiliger strukturiert sein muss, weil alles sich in unmittelbare Nähe verlagern würde, und damit nimmt die Vielfalt zu. Und die Wege wären viel kürzer, die Umwelt würde damit geschont.

Zum Autor: Hermann Knoflacher ist emeritierter Professor des Instituts für Verkehrsplanung der Technischen Universität Wien

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24. April 2024