"Wir sind Bäcker, nicht Aufbäcker"

Von Josef Lehner   28.März 2015

Im Vorjahr gingen 39 Bäcker in ganz Österreich pleite. Ein Viertel aller Betriebe meldete 2014 Absatzrückgänge. Generell erhob die KMU-Forschung, dass im Vorjahr der Umsatz in der Branche stagnierte.

Doch Panikmache gilt nicht. "Jeder Bäcker hat seine Chance, ob klein oder groß, er muss sie nur ergreifen", sagt der Berufsgruppensprecher, Reinhard Honeder aus Weitersfelden (Bezirk Freistadt). Seine Karriere ist bestes Beispiel dafür. Er hat den elterlichen Betrieb in 20 Jahren von drei auf 120 Mitarbeiter ausgebaut, mit 13 Filialen.

Es gebe kein Allheilmittel, wenn die Aufbackstationen Umsätze absaugen, sagt Honeder. Die Marktentwicklung habe den tüchtigen Bäckern auch Chancen eröffnet. Der eine nutzt sie mit Dienstleistungen: Nahversorger, Café, Poststelle, Catering, mobile Filialen. Der andere gewinnt die Kunden mit Superprodukten: "Wir sind die Bäcker, nicht die Aufbäcker."

Handwerk gegen Automaten

"Tiefgekühlte Teiglinge haben kein Mascherl", sagt Franz Reischl, der Direktor der Bäckergenossenschaft Bäko (Artikel Seite 6). Seit 20 Jahren sei es möglich, mit computergesteuerten Automaten ohne Fachpersonal rund um die Uhr Brot aufzubacken. Woher die Teiglinge oder das Vorgebackene kämen, sei sekundär. Wenn jeder Supermarkt und jede Tankstelle frische Massenware liefern könne, dann werde das Backprodukt nach alten Rezepturen und mit regionalen Rohstoffen zur Besonderheit. Die Bäcker geben ihrer Ware ein Mascherl.

"Mein Angebot ist ein Mosaik, aus Nahversorger, Café, Poststelle, Trafik. Meine Ausrichtung ist aber die Bäckerei", sagt Patrick Reichl aus St. Marien (Linz-Land). Er ist ein Gewinner des Aufbackzeitalters, weil "ich nicht von meinem Weg abweiche. Je schlechter die Massenware, desto mehr heben sich meine Produkte ab." Es sei nicht mehr die – "mittlerweile überstrapazierte" – Regionalität entscheidend, sondern nur die Qualität. Er investiert viel in Kundeninformation, etwa mit einem Brot-Blog im Internet.

Die Erfolgsrezepte

Sein Erfolgsrezept seien Kundenzufriedenheit und Mundpropaganda. Wenn große Feste anstünden, etwa Weihnachten oder Ostern, und neue Kunden seine Ware kennenlernen, dann steige die Nachfrage. "Das ist natürlich eine große Herausforderung. Auch dann, wenn am meisten produziert werden muss, dürfen wir uns keine kleinste Abweichung von unserer Norm erlauben."

Die braucht das 40-jährige Vermarktungstalent auch. Reichl hat eben erst zehn Millionen Euro in seinen Betrieb investiert, beschäftigt 80 Mitarbeiter und will im Mai in Neuhofen an der Krems seine dritte Filiale eröffnen. Seine wichtigste Vertriebsschiene sind aber große Lebensmittelketten.

Der Handel modernisiert

Die Handelsketten setzen nicht nur auf ihre Aufbackkompetenz – schließlich verbessern sich die Technik und die Vorprodukte laufend –, sie wollen parallel die Produkte der regional besten Bäcker im Regal haben. Der Diskonter Hofer, der derzeit als letzte große Kette sein Netz von Backboxen ausrollt, bezieht sogar die halbgebackene Rohware von heimischen Broterzeugern, etwa in Oberösterreich von Fischerbrot in Linz.

Für den Bäcker ist dessen Ware der Umsatzträger, für den Handel ist Gebäck der Frequenzbringer. Die Ketten schauen da nicht zuerst auf das Ergebnis. Außerdem wissen die Manager, dass sie auch frisches Brot brauchen, weil sie für die Konsumenten der Vollversorger sein wollen – im Marketingsprech: "One-Stop-Shop".

Bäcker bleibt links liegen

Der eilige Konsument lässt dann den heimischen Bäcker links liegen. Eine umso stärkere Strahlkraft muss der Handwerksbäcker entwickeln. Die Vereinigung der oberösterreichischen "Troadbäcker" lockt seit 2001 mit einer geschlossenen Rohstoffkette. Das Mehl kommt vom Müller in der Nähe, die Gewürze vom Innviertler Kräuterbetrieb Schneiderbauer. "Wir wollen kurze Wege und unsere Lieferanten persönlich kennen", sagt Obmann Franz Fenzl, Bäckermeister in Urfahr.

Weil Konsumenten heute quasi rund um die Uhr frisches Brot haben wollen, boomt das Aufbackgeschäft. Resch & Frisch ist der Pionier und liefert Tiefkühlware an die Gastronomie und auch an die Haushalte, wo mit dem Ofen jederzeit gebacken werden kann. Eine phänomenale Erfolgsgeschichte: 1360 Mitarbeiter, 115 Millionen Euro Umsatz. Beliefert werden 17.000 Wirte und Hotels sowie 160.000 Endverbraucher.

Eine Innovation ist auch das Franchisesystem Pan & Co, das der Linzer Wolfgang Hofer für Aufbacklösungen in Tankstellen und Shops geschaffen hat. Leider ist er im Vorjahr verstorben. Zuvor hatte er Ringbrot übernommen.

Zwei Backwelten

Es haben sich im Backgewerbe zwei Welten entwickelt. Da sind auf der einen Seite die Puristen, die an der Tradition festhalten. Die andere Hälfte macht sich moderne Arbeitsteilung zunutze. Sie kaufen fertige Backmischungen, um den Betriebsablauf zu optimieren, um breite Sortimente wie Großbetriebe halten und um betriebswirtschaftlich bestehen zu können.

Oberösterreich ist die Hochburg dieser Erzeuger von Backmischungen, angefangen mit dem Pionier, der Firma Backaldrin in Asten. Die Familie Augendopler hat das erfolgreichste Gebäck der Welt entwickelt – den Kornspitz, von dem täglich 4,5 Millionen Stück verzehrt werden. Die Gruppe setzt heute mit 760 Mitarbeitern 150 Millionen Euro in 70 Ländern um.

Auch die Firma Pfahnl in Pregarten und die Firma Diamant in Wels sind mit ihren Backmischungen im In- und Ausland erfolgreich. Nutznießer der Backrevolution ist der Konsument. Er kann Tag und Nacht frisches Brot genießen.

Bäcker als Ernährungsberater

Ein Betriebswirt und ein Ernährungswissenschafter haben vom Vater den bekannten „Mayer-Bäcker“ in Ried im Innkreis übernommen – eine wunderbare Kooperation, die Erfolg zeitigt.

Brot und gebäck "Wir sind bäcker, nicht aufbäcker"
Bäckermeister Patrick Reichl aus St. Marien, Linz-Land.
Bäckermeister und Betriebswirt Christian Mayer (r.) mit Bruder Martin, diplomierter Ernährungswissenschafter    (Werk)

 

Christian Mayer (32) wollte immer in den elterlichen Betrieb einsteigen, absolvierte aber zuerst in Linz das Studium der Wirtschaftswissenschaften. Dann machte er den Bäcker- und Konditormeister. Er leitet im 60 Jahre alten Unternehmen Produktion und Betrieb.

Sein Bruder Martin Mayer-Zeugner (34) studierte Ernährungswissenschaften. Er leitet den Vertrieb und kümmert sich um die Ernährungsberatung. Er hat den Aspekt der Gesundheit in die Produktpalette gebracht. „Regional macht ja heute schon jeder. Wir konzentrieren uns auf ernährungsphysiologisch wichtige Dinge“, sagt Christian Mayer: „Wir haben Emulgatoren rausgeworfen aus den Produkten. Das macht zwar mehr Arbeit, ist unseren Kunden aber wichtig, wie der Erfolg zeigt.“ Der Mitarbeiterstab ist auf 40 gewachsen. Zuletzt wurde in die Verkaufsbereiche investiert. Neben dem Stammhaus im Zentrum gibt es drei Filialen.

Bürokratie ist größte Gefahr für die Bäcker

„Es gibt kein Bäckersterben“, sagt der Berufsgruppensprecher in der Wirtschaftskammer, Reinhard Honeder. Wenn die Bürokratie nicht reduziert werde, könnten aber viele Bäckermeister aufgeben.

INTERVIEW Bürokratie ist größte Gefahr für die Bäcker "Es gibt kein Bäckersterben", sagt der Berufsgruppensprecher in der Wirtschaftskammer, Reinhard Honeder. Wenn die Bürokratie nicht reduziert werde, könnten aber viele Bäckermeister aufgeben.
„Es tut weh, Kunden zu verlieren. Wir müssen aber auch exakt rechnen“: Reinhard Honeder, Sprecher des oö. Backhandwerks    Foto: Weihbold

 

OÖNachrichten: Was ist mit dem Bäckersterben? Wie viele Betriebe gibt es noch in Oberösterreich?

Reinhard Honeder: Bäckersterben gibt es keines. Dieses grausliche Wort will ich weghaben. Es gibt 369 Betriebe, um 20 weniger als vor fünf Jahren. Wir dürfen aber die Augen nicht verschließen. Wir haben eine demographische Entwicklung. Es gibt nicht mehr fünf Kinder in der Familie, wo schon einer den Betrieb übernehmen wird. Die wenigen Kinder machen nicht weiter, weil sie aus vielen anderen Jobs wählen können. Offensichtlich verdienen die Betriebe auch nicht mehr so, wie es einmal war. Die Entwicklung hat sich in den vergangenen zehn, 20 Jahren verschärft. Deshalb müssen wir agieren am Markt. Wir Bäcker sind Weltmeister darin, nicht zu erzählen, was wir machen. Einer kauft die Eier am Hof vom Bauern, ein anderer arbeitet mit dem regionalen Müller. Unser Mitbewerb im Handel macht dagegen die aufwendige Werbung.

Von Regionalität reden auch die Riesen. Wirkt das noch?

Ich kann das Wort mitunter auch nicht mehr hören. Da steht auf der Verpackung eines Nussstrudels „regionale Qualität“, und der kommt aus Vorarlberg. Wir steuern aber dagegen. Bei uns Handwerksbäckern wird wirklich noch gebacken, nicht aufgebacken. Wir laden die Konsumenten ein und zeigen ihnen unseren Sauerteig. Sie sehen, dass wir keine Backmischungen nehmen. An der Aufbackstation im Supermarkt erklärt dir niemand etwas. Zweitens sind wir stark mit saisonalem Angebot, mit Brauchtumsgebäck. Ich lasse die Handwerksbäcker aber nicht in eine Nische drängen.

Sehr prominente Betriebe sind in den vergangenen Jahren pleitegegangen. Weshalb?

Es genügt längst nicht mehr, das Handwerk erstklassig zu können. Man muss auch rechnen können. Der Markt ist heute so schnelllebig, der verzeiht keine Fehler. Es hat erstklassige Betriebe getroffen, obwohl die Leute fleißig waren. Sie haben auf den Rechenstift vergessen. Doppelt rechnen muss man, wenn man eine neue Branche dazunimmt, etwa ein Café. Deshalb schulen wir heute viel.

Heißt es heute: Wachsen oder weichen?

Erfolg ist keine Frage der Betriebsgröße. Ein Betrieb mit zwei Leuten hat genauso seine Berechtigung und seine Chancen wie einer mit 200. Gerade bei den Pleiten sind auch größere dabei gewesen. Es ist natürlich so, dass beim Kleinbetrieb die ganze Bürokratie beim Chef hängenbleibt. Und die ist enorm: Hygieneverordnung, Allergenverordnung, eine Flut an Vorschriften. Da ist bei vielen Unternehmern die Belastungsgrenze längst überschritten. Wenn sich da nicht etwas bessert, werden wir in zehn Jahren wirklich massiv weniger Betriebe haben.

Die Supermärkte bauen ihr Backangebot kräftig aus. Werden die Bäcker verdrängt von Aufbackautomaten?

Viele Kollegen sind in den Märkten mit ihren Produkten vertreten. Es gibt Chancen, und viele können sie gut nutzen. Eine Gefahr ist es, wenn jemand glaubt, er müsse diesen Umsatz auch noch unbedingt machen, um jeden Preis. Es tut mir weh, wenn ich Kunden verliere. Wir müssen aber auch exakt rechnen.

Mit Teiglingen ohne Herkunftsbezeichnung, die von irgendwo aus Europa herangefahren werden, lässt sich halt auch zu Tiefstpreisen Geld machen.

Wir sind Handwerksbäcker. Die Kunden, die nur zum tiefsten Preis kaufen, die haben wir schon vor 20 Jahren verloren. Der Tischler jammert auch nicht über die Billigangebote in den großen Möbelhäusern, weil er hat sein Produkt. Es gibt einen Markt für uns, und wenn wir es gut machen, dann haben wir beste Chancen.