"Mir blutet das Herz, wenn man die modernste Spinnerei zusperren muss"

Von Dietmar Mascher und Susanne Dickstein   15.Oktober 2015

Es ist keine Industrieruine, die man betritt, wenn man vom Hauptgebäude der Linz Textil in der Wiener Straße in die Spinnerei kommt. Der Boden wurde vor zwei Monaten erneuert, das Dach um eine Million Euro saniert. Hier stehen die modernsten Spinnereimaschinen Europas. Industrie 4.0, also die Digitalisierung der Produktion mit höchstem Industrialisierungsgrad, ist hier keine Zukunftsmusik, ihre Melodie wird hier real gespielt.

Dionys Lehner, seit fast 40 Jahren Kopf und Hirn sowie seit vielen Jahren Mehrheitseigentümer der Linz Textil, und Geschäftsführer Manfred Kern durchschreiten die fast menschenleere Halle und schütteln den Kopf. Vor wenigen Minuten mussten sie der Belegschaft mitteilen, dass die modernste Spinnerei im Juni 2016 zugesperrt wird. 45 Menschen werden ihren Arbeitsplatz verlieren, der Standort Linz das neben der Weberei operativ wichtigste Standbein. "Ich bin zwar erst seit einem Jahr im Unternehmen. Aber mir blutet das Herz, wenn ich daran denke", sagt Kern.

Was auf den ersten Blick befremdlich erscheint, ist mit einem Problem beim Lieferanten zu erklären. Die Lenzing AG, die seit Jahren die "Zellwolle glänzend", also die Faser für den Viskosegarn liefert, hat im August bekannt gegeben, dass sie statt 14.000 künftig nur noch 7000 Tonnen liefern werde. Dazu wurden die Preise angehoben.

Dionys Lehner, der dafür bekannt ist, wirtschaftliche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, gibt zu, dass ihn diese Maßnahme überrascht hat. Und geärgert. Denn mit den bisherigen Lenzing-Chefs sei vereinbart gewesen, dass sie der Linz Textil für diesen Fall eine Umstellungszeit von zwei bis drei Jahren geben würden. "Zuletzt wurde aber nicht mehr verhandelt. Es wurde nur noch mitgeteilt. Ich glaube, das passierte nicht mit dem vollen Wissen, was dies für eine moderne Spinnerei bedeutet", sagt Lehner.

Die Linz Textil, die nach einer Restrukturierung wieder zurück in den schwarzen Zahlen ist, muss nun ein neues Programm starten. Sie verliert zumindest zehn Millionen Euro Umsatz, der Mitarbeiterstand in Linz wird von 130 auf 85 reduziert. Da die Spinnerei so hochtechnisiert ist, könne man nicht einfach die Kapazität auf die Hälfte reduzieren. Gesponnen wird künftig nur noch in Landeck und in Kroatien.

Warum man mit Lenzing nur einen Hauptlieferanten hatte? "Linz Textil und Lenzing sind gemeinsam eine Marke auf dem Weltmarkt. Wir haben Lenzing auch bei der Qualitätsverbesserung geholfen", sagt Lehner.

Beim Faserhersteller Lenzing gab sich das Management zugeknöpft. Man könne Geschäftsbeziehungen zu einzelnen Kunden nicht im Detail kommentieren. Die Kritik weist Firmensprecherin Angelika Guldt zurück: "Die Geschäftsführung von Lenzing war seit mehreren Monaten mit Linz Textil in intensivem Gesprächskontakt über Preiserhöhungen." Die Preisentwicklung am Viskosefasermarkt – seit Jahresbeginn plus 26 Prozent – könne nicht ignoriert werden. Lenzing müsse die Preise weltweit anpassen.