"Digitalisierung bringt auch neue Chancen"

Von Hermann Neumüller   11.November 2017

"Es geht uns gut, wir haben viel Freizeit im Vergleich zu ärmeren Ländern und auch im historischen Kontext", sagte Nicola Fuchs-Schündeln, Ökonomie-Professorin an der Goethe-Universität in Frankfurt, bei der 20. Kurt-W.-Rothschild-Vorlesung am Donnerstagabend an der Universität Linz.

Fuchs-Schündeln untersucht weltweit die Entwicklung der Arbeitsstunden. So hat sie herausgefunden, dass wir in den westlichen Industrieländern deutlich weniger arbeiten als in den ärmsten Staaten. Sind es bei uns 19 Stunden pro Woche, so arbeiten die Menschen in den unterentwickelten Staaten in Afrika oder in Asien 29 Stunden pro Woche. Auf 19 Stunden kommt sie bei uns, weil sie alle Menschen ab 15 Jahren betrachtet. "Bei uns arbeiten viele Leute gar nicht, etwa Rentner", erklärt die Ökonomin. Gleichzeitig liegt bei uns die Produktivität um ein 16-faches über dem Niveau der ärmeren Länder.

Ob man aus der deutlich höheren Produktivität bei uns einen Spielraum für Arbeitszeitverkürzung ableiten könne, will sie im OÖN-Gespräch nicht beantworten. Tatsache sei aber, dass der langfristige Trend bei der Arbeitszeit eindeutig nach unten gehe.

"Umbrüche gab es schon oft"

Die Diskussion über kürzere Arbeitszeiten bei uns, aber auch in Deutschland wird vor allem deshalb geführt, weil viele Menschen Angst haben davor, wegen der Digitalisierung ihre Jobs zu verlieren.

Die Angst vor der Digitalisierung könne sie nachvollziehen, sie teilt sie aber nicht unbedingt. "Aus historischer Perspektive gab es immer wieder technologische Umbrüche. Da sind ganze Branchen verschwunden, aber auch ganz neue wieder aufgetaucht", sagt Fuchs-Schündeln. Sie sehe daher aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht, dass es im Zuge der Digitalisierung anders laufen werde. Der Arbeitsmarkt sei jedenfalls in Bewegung. Vor allem aber sieht sie, dass diese Bewegungen auch etwa innerhalb Europas höchst unterschiedlich verlaufen. So sei etwa in Österreich oder Deutschland die Frauen-Erwerbsquote deutlich gestiegen, aber es werde viel in Teilzeit gearbeitet. In Südeuropa hingegen sei die Erwerbsquote bei Frauen deutlich niedriger, aber jene Frauen, die arbeiten, machten dies in Vollzeit.