Der größte Bauer und der niedrigste Milchpreis

Von Josef Lehner   27.Februar 2016

Beim Schmoller z’Frieding ist etwas los. 305 Kühe stehen in den großen, offenen Laufställen. Dazu kommen rund 500 Kälber, Kalbinnen und Jungstiere. Wer durch den Hof geht, muss auf Rempler gefasst sein. Jungziegen begrüßen den Besucher mit Kopfstößen. Zum Hof gehört nämlich ein kleiner Tierpark, mit Hasen, exotischen Schweinen, mit Esel, Pony und viel Federvieh.

„Das ist ein Paradies für Kinder. Es kommen sogar Schulklassen, weil ich will, dass die jungen Leute erfahren, wie es heute auf einem Hof zugeht. Ich brauche nichts zu verstecken, bei mir kann man alles sehen“, sagt Bauer Johann Konrad.

Der Preishammer schlägt zu

Die Stimmung in dieser Idylle ist getrübt, seit der Milchpreis für Bauern im Vorjahr von rund 40 Cent pro Liter auf 30 gefallen ist. Grund: internationale Mehrproduktion. Das Überangebot hat sich verschärft, seit Russland im Sommer 2014 ein Importverbot für Molkereiprodukte verhängt hat.

Am Mittwoch hat Konrad nun erfahren, dass seine Molkerei, Gmundner Milch, ihre hohen Verluste im Verkauf abwälzen will auf die bäuerlichen Eigentümer. Gleich nach Neujahr wurde der Preis auf 28 Cent gesenkt. Dann wurde in Mitgliederversammlungen lang über Modelle diskutiert, um die Wachstumsbetriebe zur Drosselung der Produktion zu bringen.

Start mit 16 Kühen

Dafür ist Johann Konrad das Musterbeispiel. Der 51-Jährige hat den kleinen Schmollerhof in der Gemeinde Pfaffing bei Vöcklamarkt vor 22 Jahren vom Vater übernommen, mit 16 Kühen, 35.000 Jahresliter Milchkontingent und 15 Hektar Eigengrund. Der mittelgroße Betrieb konnte keine Familie ernähren. Konrad arbeitete in der Kretz-Technik in Zipf.

Mit dem EU-Beitritt 1995 entschied er sich, nicht wie so viele andere aufzugeben, sondern zu vergrößern. „Da ist es dann richtig los gegangen. Andere Bauern sind mir nachgerannt, ob ich nicht ihren Grund und ihr Vieh übernehmen möchte.“ Ein erster großer Kaltlaufstall für 100 Kühe wurde gebaut. Heute produziert Konrad zwei Millionen Liter Milch im Jahr. In Internetforen wurde im Vorjahr diskutiert, wer denn der größte Milchbauer in Österreich sei. Der Name Konrad fiel. Genaue Zahlen dazu gibt es allerdings nicht.

Der Hausruckviertler sieht sich nicht als Produktionstreiber. Er sei zufrieden mit 8000 Liter Durchschnittsleistung pro Kuh und Jahr, weil das bedeute Tiergesundheit und wenig Kraftfuttereinsatz. „Bei mir gibt’s net gemma-gemma. Eigentlich ist die Milchmenge durch mich nicht größer geworden, weil ich ja nur andere übernommen habe.“ Erst kürzlich habe er wieder einen Hof mit 100.000 Litern Jahresmenge gepachtet. Daher wird ihn die neue Limitierung der Gmundner Molkerei voll treffen.

Strafpreis soll Menge drosseln

Sie ist viel schlimmer als befürchtet ausgefallen. Diskutiert wurde, für Mehrmengen nur noch 13 Cent zu zahlen. Am Mittwoch beschlossen die 40 Funktionäre, die die 2800 Bauern in der Unternehmensleitung vertreten, dass ein Betrieb mit zehn Prozent Mehrmenge (im Vergleich zum Monatsschnitt 2015) nur noch 23 Cent je Liter erhält, und zwar für seine Gesamtmenge.

Man braucht kein Mathematikgenie, um die Folgen zu berechnen. Jeder Cent weniger kostet bei zwei Millionen Litern aufs Jahr gerechnet 20.000 Euro. Gegenüber dem aktuellen Preis von 28 Cent sind es 100.000 Euro, während die Kosten weiterlaufen, sagt Konrad. Selbst ein so großer Betrieb wie seiner brauche 35 Cent, um alle Kosten zu decken und einen akzeptablen Lohn zu erwirtschaften. Milchwirtschaft bedeutet 365 Tage Arbeit im Jahr. Sein Hof wird von der Großfamilie mit nur einem hauptberuflichen Mitarbeiter geschaukelt.

„Das ist ein Katastrophe. 22 Jahre lang habe ich so viel Geld und Arbeit reingesteckt“, sagt Konrad. Viele Berufskollegen treffe es noch schlimmer, weil sie gerade Stall gebaut und den Viehbestand aufgestockt hätten. Für die werde es mit diesen Preisen finanziell sehr eng.

Wachstumsfeindliches Land

Er selbst werde nicht „abhausen“ und auch den Betrieb nicht zurückfahren. Nun müsse noch mehr gespart werden. Investitionen sind zurückgestellt, etwa der Kauf eines vierten Melkroboters.

Johann Konrad ärgert sich, wie in Österreich Wachstum verdammt werde: „Ein Betrieb darf nicht stehen bleiben. Nicht zu wachsen, ist gefährlich.“ Kosten steigen, Spannen sinken. Die Steuerpauschalierung im Agrarsystem ist für ihn fatal: „Die Betriebe bleiben stehen, damit nur ja keine Steuer bezahlt werden muss. Ohne Wachstums–chancen übernimmt die nächste Generation nicht. Die geht in andere Berufe.“ Das wäre für alle fatal, denn die Milchwirtschaft produziert nicht nur natürliche Lebensmittel, sie pflegt die Landschaft.

Johann Konrad hofft auf die Konsumenten: „Es gibt nicht zu viel Milch. Wir sind ersetzt worden. In den Supermarktregalen ist mehr Margarine und Fett aus Palmöl.“

Der Milchmarkt

2,1 Prozent ist die in der EU erzeugte Milchmenge im Jahr 2015 gestiegen. Das waren plus 3,1 Millionen Tonnen, etwas mehr als die gesamte österreichische Jahresproduktion. Das Plus in Österreich: 1,4 Prozent, mit stark steigender Tendenz zu Jahresende.

86 Liter Trinkmilch konsumiert ein Österreicher im Jahr, dazu 21,6 Kilo Käse und 5,4 Kilo Butter. 2014 wurden 98 Millionen Liter Milch und 109.000 Tonnen Käse importiert, 490 Millionen Liter/ 125.000 Tonnen exportiert.

8300 Bauern von 33.000 in Oberösterreich erzeugen Milch, rund eine Milliarde Liter im Jahr. Vor zehn Jahren waren es noch 15.000 Milchbauern. Die größte deutsche Molkerei, DMK, hat ebenfalls 8300 Bauern, die 2015 6,8 Milliarden Liter produziert haben – 820.000 pro Hof. Oberösterreich: 120.000.