Kaufchancen für patriotische Anleger

Von Susanne Dickstein   11.Jänner 2019

voestalpine, Lenzing, FACC: Die drei Oberösterreicher im Leitindex ATX der Wiener Börse sind alle stark im Export tätig. "Das ist ein Grund, warum sie in den vergangenen Wochen und Monaten so viel an Wert verloren haben. So gut diese Unternehmen auch sind: Sie können sich den politischen Risiken wie einem Handelskrieg nicht entziehen", analysiert Alexander Kopecky von der Sparkasse Oberösterreich. Als stellvertretender Leiter der Abteilung Wealth Management betreut er vermögende Privat- und Firmenkunden.

Seiner Meinung nach seien die Kapitalmärkte derzeit nicht in Einklang mit der wirtschaftlichen Situation, die Kopecky nach wie vor positiv bewertet. "Der Markt hat allerdings zuletzt eine Rezession angedeutet." Die voestalpine hat allein in den vergangenen drei Monaten 26 Prozent an Wert eingebüßt. Gerechnet auf ein Jahr, hat sich der Kurs nahezu halbiert.

Fünf Prozent Dividendenrendite

Fundamental betrachtet sei der oberösterreichische Leitbetrieb attraktiv, sagt Kopecky. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liege bei 6,6, das Verhältnis Kurs zu Buchwert unter eins. Und so wie beim Faserhersteller Lenzing weist auch die voestalpine aktuell mit fünf Prozent eine interessante Dividendenrendite auf. Bei der Lenzing liegt diese aus heutiger Sicht bei vier Prozent. "Alle drei Oberösterreicher im ATX sind Unternehmen mit einer hohen Innovationskraft. Da bieten sich aus meiner Sicht jetzt Kaufchancen", sagt Sparkassen-Bänker Kopecky.

Ähnlich beurteilt die Situation Christian Ratz, Leiter des Treasury der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich. "Die FACC hat volle Auf

tragsbücher und gute Wachstumsaussichten." Die aktuelle Marktlage sei allerdings nichts für schwache Nerven. Denn politische Börsen haben kurze Beine, lautet eine Börsenweisheit. "Die politischen Unsicherheiten wie der Brexit begleiten uns. Unsicherheit ist etwas, was Börsen generell nicht mögen. Das führt zu erhöhten Schwankungen", sagt Ratz.

Langfristig denken

Als Vorstandsvorsitzender der Wiener Börse AG tätigt Christoph Boschan zwar keine Detailaussagen zu seinen Börsekunden. Generell rät er Anlegern aber langfristig zu denken: "Es empfiehlt sich, eine Strategie zu fahren, bei der monatliche Schwankungen egal sind."

Wer auf einen Zeithorizont von zehn Jahren ausgerichtet sei und sein Portfolio diversifiziert habe, komme mit der Wiener Börse auf eine durchschnittliche Rendite von sechs bis sieben Prozent pro Jahr, sagt Boschan. 2017 habe es ein Plus von 30 Prozent gegeben, im Vorjahr ein Minus von rund 20 Prozent. Über einen längeren Zeitraum würden sich diese Jahresergebnisse glätten.

Nicht nur bei den Kursen ist an der Wiener Börse derzeit einiges in Bewegung gekommen. Auch die Struktur wird verändert. In eineinhalb Wochen, am 21. Jänner, startet am Wiener Parkett ein neues Segment, das auf Klein- und Mittelunternehmen (KMU) abzielt. "Eine Nationalbörse muss auf lokale Bedürfnisse eingehen. Das wird jetzt wieder möglich", so Boschan.

startup300 geht an die Börse

Eines der ersten Unternehmen, das im neuen Segment gelistet sein wird, ist startup300. Das in der Linzer Tabakfabrik angesiedelte Unternehmen finanziert und entwickelt junge Firmen. 200 Aktionäre gibt es derzeit, bald sollen es mehr werden. "Wir haben mittelfristig schon ein Listing an der Börse angestrebt. Das neue Segment hat das beschleunigt", sagt Bernhard Lehner, Gründer und Geschäftsführer von startup300. Seine Aktionäre hätten bisher nicht die Möglichkeit, ihre Aktien zu handeln. Der Gang an die Wiener Börse ermögliche nun, dass die Aktionäre ihre Gewinne auch lukrieren könnten. Darüber hinaus wolle man sich "einen professionelleren Anzug" anziehen, wie Lehner es formuliert. Soll heißen: Börsenotierte Unternehmen haben strengere Regeln unter anderem hinsichtlich der Kommunikation nach außen.

40 Beteiligungen hält das Linzer Unternehmen derzeit. Mit frischem Geld von der Börse könnte sich das künftige Wachstum beschleunigen.