Grasser-Prozess: Angeklagte verärgert über "Gedächtnisverlust"

Von nachrichten.at/apa   21.Februar 2019

Der 77. Tag im Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und andere hat heute mit zwei Überraschungen begonnen. Eine stellvertretende Sektionsleiterin im Finanzministerium, als Zeugin geladen, ließ sich krankheitsbedingt entschuldigen. Und dem gestrigen Zeugen, dem ehemaligen Grasser-Pressesprecher und Kabinettschef Matthias Winkler, wurde heute von zwei Angeklagten massiv widersprochen.

Winkler hatte gestern nur geringe Erinnerungen an ihm vorgehaltene Unterlagen aus der Amtszeit von Grasser, die er sieben Jahre lang als enger Mitarbeiter begleitete. Des weiteren will er von den angeklagten beiden Causen - Provisionen beim Verkauf der Bundeswohnungen (Buwog u.a.) und bei der Einmietung der Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower - nur wenig mitbekommen haben. Das sorgte im Nachhinein für sichtlich große Verärgerung beim Angeklagten Ex-Telekom Austria-Manager Rudolf Fischer.

"So alt ist der Herr Winkler nicht"

Zu Beginn des heutigen Verhandlungstages ergriff Fischer das Wort - und nahm sich kein Blatt vor den Mund. Winkler sei nicht nur Pressesprecher gewesen, sondern die "zentrale Drehscheibe" im Finanzministerium. Er könne sich selbst erinnern, dass Winkler bei ihm zu einer 25.000-Euro-Spende der Telekom für eine Regierungskampagne zur Pensionsreform nachgefragt hatte.

Dies bestätige gegenüber Richterin Marion Hohenecker unmittelbar danach auch der mitangeklagte Ex-Lobbyist Peter Hochegger. Er könne sich erinnern, dass ihm Fischer von dem Wunsch Winklers erzählt habe. Dieser Vorwurf ist insofern brisant, weil Fischer und Hochegger unter anderem dafür angeklagt sind, weil es ungerechtfertigte Zahlungen der Telekom an die Politik gegeben haben soll.

Dass Winkler von einer " politischen Landschaftspflege" nichts wusste, wie er gestern als Zeuge unter Wahrheitspflicht im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts aussagte, sorgte heute hörbar für emotionale Wallungen bei Fischer. Er sei ja schon bei einigen Hauptverhandlungen gewesen und wisse daher, dass manche Personen am Zeugenstuhl von "selektiver Wahrnehmung" befallen würden. Er verstehe nicht, warum die Menschen im Zeugenstand nicht einfach die Wahrheit sagen könnten. "Ich habe mich geärgert, man sitzt da und plötzlich tritt der Gedächtnisverlust ein. So alt ist der Herr Winkler nicht", so Fischer.

Hochegger bestätigt Aussagen

Unmittelbar darauf meldete sich Hochegger zu Wort und bestätigte die Aussagen von Fischer. Er selbst habe die 25.000 Euro dann abgerechnet. 2004 sei er in der Angelegenheit von den Grünen angezeigt worden, bei der Einvernahme habe er, wie er zuvor mit Winkler abgesprochen habe, die Unwahrheit gesagt. Bei einer weiteren Einvernahme 2011 habe er dann seine frühere Falschaussage richtig gestellt. Denn die Abrechnung der Gelder sei über Winkler erfolgt und nicht durch ihn, sagte Hochegger.

Zum Hintergrund: Richterin Hohenecker hatte gestern Schriftverkehr präsentiert, wonach die damalige Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) plante, mit honorigen Professoren eine Werbekampagne für eine Pensionsreform durchzuführen. Die Kosten dafür sollten staatsnahe Betriebe und Interessenvereinigungen übernehmen - unter anderem die Telekom Austria. Winkler sagte, er habe dazu keine Wahrnehmung.

Nachdem sich die erste Zeugin des heutigen Tages entschuldigen ließ, begann Hohenecker mit der Verlesung der Vernehmungsprotokolle des mittlerweile verstorbenen RLB-OÖ-Chefs Ludwig Scharinger, der auch angeklagt, aber krankheitsbedingt nie im Großen Schwurgerichtssaal erschienen war.

Am Nachmittag soll noch ein Zeuge aus dem ehemaligen Kabinett von Grasser im Zeugenstand befragt werden, am kommenden Dienstag geht es dann weiter mit den Zeugenauftritten. Als erster wird dann der ehemalige Finanzstaatssekretär Alfred Finz (ÖVP) aussagen.