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"Einem Mühlviertler brauchen Sie über Leistungsbereitschaft nichts erzählen"

Von Dietmar Mascher, 15. Februar 2019, 00:04 Uhr

LINZ. Berufsschule: Direktor Franz Hemetsberger über Chancen und Image der Lehre.

Oberösterreich braucht dringend Facharbeiter. Und die Zahl der Lehrlinge steigt auch wieder. Dennoch kämpft die Lehre noch mit ihrem Image. Der Direktor der Berufsschule 2 in Linz, Franz Hemetsberger, erläutert im Gespräch mit den OÖNachrichten, warum Handwerk goldenen Boden hat und warum Flüchtlinge oft zu den besten Lehrlingen zählen.

"Einem Mühlviertler brauchen Sie über Leistungsbereitschaft nichts erzählen"
Franz Hemetsberger, Direktor der Berufsschule 2

Franz Hemetsberger, Direktor der Berufsschule 2

 

OÖNachrichten: Warum sollte ein junger Mensch einen Lehrberuf ergreifen?

Hemetsberger: Weil wir Lehrlinge und Facharbeiter dringend brauchen. Ohne Facharbeiter würden wir jetzt nicht auf so bequemen und gut gearbeiteten Sesseln an einem perfekt gemachten Tisch sitzen. Außerdem stimmt es, dass Handwerk goldenen Boden hat. Der finanzielle Anreiz ist auch gut. Mein Sohn macht die Ausbildung zum Diplomingenieur. Bis er zu arbeiten beginnt, hat ein Facharbeiter schon mehr als 200.000 Euro netto verdient. Da muss man als Akademiker gut verdienen, um das bei der Lebensverdienstsumme wieder aufzuholen. Wir haben einige Handwerksabsolventen, die nach der Ausbildung 1800 bis 2000 Euro netto verdienen.

Aber das Image der Lehre ist nach wie vor schlecht. Viele Eltern sind der Auffassung, dass ihre Kinder die Matura machen müssen.

Das eine schließt das andere ja nicht aus. Als ich vor 30 Jahren Berufsschullehrer wurde, gingen von 30 Schülern meiner Klasse sechs bis acht in die Abendschule, haben dort auch maturiert und Karriere gemacht. Am besten ist die Kombination aus Praxis und Matura. Grundsätzlich wird es aber nur gelingen, die Lehre aufzuwerten, wenn die Firmen selbst an ihrem Image arbeiten. In unserer Berufsschule werden die Rauchfangkehrer unterrichtet. Im Labor sieht man in einem Eck das alte Image mit Kehrgeräten für den Kamin, der Rest besteht aus Hightech-Anlagen, über die breites Wissen über Heizungstechnik vermittelt wird. Die meisten Rauchfangkehrer sind in Wahrheit Ingenieure.

Was halten Sie von der Lehre nach der Matura?

Diese dualen Akademien sind ein idealer Weg. Wir hoffen auch, dass wir sie zu uns ins Haus bekommen. Gerade bei den IT-Technikern wird abseits der Lehre nur wenig Berufsausbildung angeboten.

Etliche Betriebe klagen darüber, dass das Ausbildungsniveau der neuen Lehrlinge in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sei. Teilen Sie diese Erfahrung?

Diese Einschätzung haben wir auch. Das liegt aber nicht daran, dass die jungen Leute heute dümmer sind als früher. Aber es liegt an der Motivation, etwas zu lernen. Es ist halt bequemer, sich etwas beibringen zu lassen, als sich selbstständig darum zu bemühen.

Die Leistungsbereitschaft ist also unterdurchschnittlich.

Sagen wir so: Es gibt ein Land-Stadt-Gefälle. Einem gestandenen Ebenseer oder Mühlviertler, der mit der Arbeit aufgewachsen ist, brauchen Sie über Leistungsbereitschaft nichts zu erzählen. Das ist bei manchen Lehrlingen aus dem städtischen Bereich etwas anders. Wieder anders sehe ich die Situation bei den Flüchtlingen.

Positiv anders oder negativ anders?

Unsere Erfahrungen sind vor allem positiv. Die jungen Leute haben zum Teil einen großen Ehrgeiz, Bildungschancen zu nutzen, die sie in ihrem ursprünglichen Heimatland nie vorfanden. Ich denke da etwa an einen jungen Afghanen, der nach Österreich kam, ohne lesen und schreiben zu können. Heute macht er das auf Deutsch, rechnet und ist einer der besten Schüler. Ich leite auch das Berufsschul-Internat, und nicht selten passiert es, dass Flüchtlinge nach dem Abendessen zu mir kommen und sich dafür bedanken, dass sie zu essen bekamen. Wir erleben aber junge Leute, die hier geboren wurden und das Essen wegwerfen.

Das Wirtschaftsministerium hat in den vergangenen Monaten neue Lehrberufe geschaffen, um die Attraktivität der Lehre zu erhöhen. Bringt das etwas?

Ich habe meine Zweifel. Bei den Lehrberufen gibt es Wellenbewegungen. Wir haben schon Berufe zusammengelegt und die Zahl reduziert. Dann wurden wieder neue geschaffen. Das Image wurde dadurch nicht verbessert. Man wird es auch nicht dadurch verbessern, wenn man alle Techniker nennt: den Zimmereitechniker oder den Maler und Beschichtungstechniker. Wichtiger wäre, zwei Schienen anzubieten: zum einen die qualifizierte Ausbildung zum Facharbeiter, der dann auch gute Chancen hat, Karriere zu machen. Und zum anderen eine Ausbildung für jene, die nicht mit Talent gesegnet sind. Beides zu vermischen, verzerrt das Bild der Lehre und bringt keinem was. Ich halte für die zweite Gruppe eine Teillehre oder Anlehre für die bessere Variante.

Was würden Sie am dualen Ausbildungssystem ändern?

Ich würde nicht zu viel experimentieren, weil sich das österreichische System grundsätzlich bewährt hat. Die Lehrer haben durchschnittlich 20 Jahre praktische Berufserfahrung, wenn sie als Lehrer starten. Und so sieht dann auch die Ausbildung aus. Auch die Zusammenarbeit mit den Betrieben funktioniert sehr gut.

"Einem Mühlviertler brauchen Sie über Leistungsbereitschaft nichts erzählen"
Zimmererlehrling in der Berufsschule 2: Starke Achse zwischen Schule und Arbeit Bild: OÖN
Zimmererlehrling in der Berufsschule 2: Starke Achse zwischen Schule und Arbeit Fotos: OÖN

Gemeinschaftsprojekt in Münzbach

Die Zimmererlehrlinge haben schon vor Unterrichtsbeginn ihre Arbeit aufgenommen. Denn am 4. April muss geliefert werden.

Die Berufsschule 2 arbeitet mit den Berufsschulen 5, 8 und 9 sowie der Berufsschule Freistadt zusammen. In einem Zeitraum von 20 Wochen (zwei Lehrgänge) entsteht ein Gartenhaus mit Nasszellen für den Kindergarten in Münzbach. Die Lehrlinge haben geplant, die Bauverhandlung absolviert und alle Leistungen ausgeschrieben bzw. führen sie selbst aus. Ein Ex-Lehrling im Rollstuhl hat eigene Erfahrungen mit dem Thema Barrierefreiheit vermittelt. Die Freude an diesem Projekt sei groß, sagt Direktor Franz Hemetsberger. Denn mehr Praxis geht nicht. Die Berufsschullehrer sind lediglich Coaches, die beim selbstständigen Arbeiten unterstützen.

In der Berufsschule 2 werden neben Zimmerern auch IT-Techniker, Informatiker, Hafner und Fliesenleger, Fertigteilhausbauer und Maurer sowie Rauchfangkehrer ausgebildet.

Vor drei Jahren hatte die Schule noch 900 Schüler, mittlerweile sind es 1050. Aber nicht in allen Lehrberufen steigt die Zahl der Schüler. "Der Hafner ist ein sterbender Beruf. Da fehlt der Nachwuchs", sagt der Direktor.

 

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Autor
Dietmar Mascher
Stellvertretender Chefredakteur, Leiter Wirtschaftsredaktion
Dietmar Mascher

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