Wie unfair ist der Lebensmittelhandel?

Von Josef Lehner   05.November 2018

Die Europäische Union bringt eine Richtlinie für faire Handelspraktiken auf den Weg. Noch heuer, also unter österreichischer Ratspräsidentschaft, soll sie beschlossen werden. Der Gesetzgeber vermengt jedoch Interessenslagen. Und Betroffene schießen Nebelgranaten.

Vier Regeln will die EU beschließen. Sie sollen bewirken, dass Erzeuger vom Lebensmittelhandel – sprich: den großen Handelsketten – fair behandelt werden (siehe Infobox). Darum herum haben verschiedene Lobbyisten versucht, im Gesetzwerdungsprozess ihre Interessen durchzusetzen. Die Bauern wollten ein Verbot höherer Lebensmittelstandards, Markenartikelkonzerne hatten geplant, den Handelsketten große Einkaufskooperationen zu untersagen. Beides werde nicht kommen, erklärte die EU-Ratsvorsitzende und österreichische Ministerin Elisabeth Köstinger.

Doch den Bedarf an fairen Praktiken unterstrich die Politikerin, indem sie mit der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in Wien einen Fairnesskatalog erstellen ließ. "Unlautere Geschäftspraktiken sind ein sehr großes Problem, auch für die Landwirtschaft", sagte sie. "Die Benachteiligung von marktschwachen Partnern kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen", sagte BWB-Chef Theodor Thanner. In Österreich ist die Lage besonders sensibel, weil drei Handelsketten für 90 Prozent des Lebensmittelumsatzes stehen. Bauern und kleine wie mittlere heimische Lebensmittelerzeuger fühlen sich einem Oligopol ausgeliefert.

Es sei wichtig, darüber zu reden, sagt Peter Schnedlitz, Handelsexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien: "Das Thema wird aber von Lobbyisten getrieben mit dem Bild des armen Bauern, der geschützt werden muss." Dabei stünden dahinter die Interessen von internationalen Konzernen wie Nestlé, Unilever & Co., deren Übermacht den Spar- und Billa-Managern missfällt. Spar-Chef Gerhard Drexel hat schon oft festgestellt, diese Multis erzielten ein Mehrfaches der Umsatzrendite eines Lebensmittelhändlers. Daher sei Druck auf sie nötig.

"Wer nicht zustimmt, ist weg"

Doch die klein- und mittelständischen Lieferanten leiden unter den zitierten Geschäftspraktiken. Ein (anonymer) Erzeuger: "Wer Forderungen nicht zustimmt, ist weg. Wer eine starke Marke hat, ist akzeptiert, wird aber halt bei seinen anderen Produkten unter Druck gesetzt." Die Ketten würden höhere Standards verlangen: "Wenn das Produkt teurer wird, wird man mit Importen ersetzt."

Gerhard Drexel sagt zu den Fairness-Regeln der EU, sie würden in Österreich längst eingehalten.

 

EU plant Richtlinie gegen unfaire Handespraktiken

Verboten werden sollen: um mehr als 30 Tage verspätete Zahlungen; kurzfristige Stornierung verderblicher Produkte; einseitige und nachträgliche Änderung von Menge, Qualität und Preis; Abschläge für verdorbene Ware, die nicht vom Produzenten verursacht wurde.

Abweisen dürften Rat und Kommission in der EU den bäuerlichen Wunsch, dass der Handel den Lieferanten keine Produkte über den gesetzlichen Mindeststandards vorschreiben darf.

Keine Mehrheit wird es auch für den Plan geben, Einkaufskooperationen von Groß- und Einzelhändlern zu verbieten.
Die Richtlinie dürfte noch heuer, während Österreichs Ratspräsidentschaft, beschlossen werden.