Wie auch Börsenneulinge den Einstieg in den Kapitalmarkt wagen können

Von Susanne Dickstein   14.September 2018

Die Österreicher sind bekennende Aktienmuffel. Bei einer Umfrage von Erste Bank und Sparkasse haben im Sommer 57 Prozent der Österreicher angegeben, dass sie Geld auf das Sparbuch legen wollen. Weitere 47 Prozent nannten den Bausparvertrag als Anlageform. Fonds und Aktien waren mit 17 bzw. 13 Prozent abgeschlagen.

Dass die heimischen Anleger dem Sparbuch auch in Zeiten von Nullzinsen die Treue halten – und somit in den vergangenen Jahren Geld verloren haben –, stellt Finanzmarktexperten mitunter vor Rätsel. "Die Risikoaversion der Österreicher ist schon deutlich ausgeprägter als in anderen Ländern", sagt Uni-Professor Teodoro Cocca, Vorstand des Instituts für Asset Management an der Linzer JKU.

Aktien würden gemieden, weil die Anleger oft nur die eine Seite der Medaille, nämlich potenzielle Verluste und Risiken, sehen würden. "Dabei hätte man an der Wiener Börse in den vergangenen Jahren gutes Geld verdienen können, woran die meisten Österreicher nicht partizipiert haben", sagt Cocca. Für den Uni-Professor haben Aktien und Finanzmarkt in Österreich zu Unrecht ein schlechtes Image: "Aktien helfen, ein Vermögen aufzubauen und Wohlstand zu generieren. Volkswirtschaftlich gesehen sind sie extrem sinnvoll."

Der deutsche Leitindex DAX hat in den vergangenen drei Jahren ein Plus von knapp 20 Prozent erzielt. Noch besser sind Anleger mit heimischen Aktien gefahren, weil die Wiener Börse Aufholbedarf hatte und von der Ost- und Zentraleuropa-Fantasie profitierte. Der ATX, Leitindex in Wien, ist seit September 2015 um 45 Prozent gestiegen. Der Vorstandschef der Wiener Börse, Christoph Boschan, mahnt allerdings zur Vorsicht bei "Extrembetrachtungen": "Man sollte die Entwicklung des ATX seit Bestehen heranziehen. Dann zeigt sich eine Durchschnittsrendite von sechs bis sieben Prozent. Das ist bei einem ausgewogenen Risikoprofil realistisch." Der Börsenchef empfiehlt Anlegern, vor allem zeitlich zu diversifizieren: "Dann entledigt man sich der Sorge des richtigen Einstiegs- und Ausstiegszeitpunkts. Den erwischt man ohnehin nicht." Zu den Grundregeln des Aktienkaufs zählt für Boschan ein langfristiger Horizont: "Das ist ein Marathon, kein Sprint."

Aktienmuffel und ihr Weg an die Börse
Christoph Boschan, Vorstandschef der Wiener Börse

Christoph Boschan, Vorstandschef der Wiener Börse

Auch Johann Penzenstadler, Oberösterreich-Chef des Bankhauses Spängler, sieht zu Aktien derzeit wenig Alternativen. Weder mit Sparbüchern noch mit Anleihen guter Bonität lasse sich derzeit eine Realrendite erzielen, also ein Ertrag nach Abzug der Inflation. Der Banker warnt allerdings davor, sich ausschließlich auf den Heimmarkt zu fokussieren. "Die Wiener Börse macht gerade ein Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung aus. Anleger müssen international denken." Im Sinne einer breiten Streuung empfiehlt er neben Europa auch andere Währungsräume in ein Portfolio zu mischen, wie die Schweiz oder die USA.

Einzeltitel, Fonds oder ETF?

Wie gelingt jetzt aber der Einstieg in den Aktienmarkt auch Börsenneulingen? "Wer sich nicht auskennt, lässt sich zu Beginn professionell beraten", rät Uni-Professor Cocca. Zudem gelte es, klassische Grundsätze der Veranlagung einzuhalten: "Streuen Sie die Veranlagung, sowohl zeitlich als auch inhaltlich. Und achten Sie auf die anfallenden Kosten."

Aus beiden Gründen stellen die sogenannten ETF (Exchange-Traded Funds) eine Alternative zu klassischen Aktienfonds dar. Bei diesen Produkten handelt es sich um Fonds, die die Wertentwicklung eines Index wie zum Beispiel des DAX nachbilden. Sie sind breit aufgestellt, werden an der Börse gehandelt und sind kostengünstig, weil sie nicht aktiv gemanagt werden. Und noch ein Argument spricht für ETF: "Es ist statistisch und empirisch belegt, dass die meisten Aktienfonds ihren selbst gewählten Index nicht schlagen", so Cocca.

Wo hingegen gemanagte Fonds punkten, ist die Möglichkeit zu Ansparplänen. Der gewünschte Betrag kann auf mehrere Tranchen aufgeteilt werden. So lässt sich das Risiko zeitlich streuen. Das bietet die Chance, den Durchschnittspreis nach unten zu mischen. Auch spezielle Fonds etwa in Zukunftsthemen wie Medizintechnik und Künstliche Intelligenz können sinnvoll sein.

Banker Johann Penzenstadler hält Kleinanleger in Fonds und ETF besser aufgehoben als in Einzeltiteln. "Es gibt eine Betragsgrenze ab rund 50.000 Euro. Darunter hat eine Veranlagung in Einzelaktien keinen Sinn, weil die Transaktionskosten zu hoch sind."

Helmut Nuspl, Chef der Schoellerbank in Oberösterreich, sieht für Aktien in den kommenden Jahren gute Zeiten. "Mit der Zinswende in Europa haben die europäischen Unternehmen wieder die Möglichkeit, höhere Preise durchzusetzen. Das steigert die Gewinne und macht das Kurs-Gewinn-Verhältnis wieder attraktiver", sagt Nuspl.

Die Europäische Zentralbank mache jetzt das, was die US-Notenbank Fed vor vier Jahren gemacht hat. Die US-Aktien seien seither deutlich gestiegen. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass nun in Europa eine ähnliche Phase eingeleitet werde, sagt Nuspl.

die fünf regeln des börsengurus warren buffett
Der 88-jährige US-Großinvestor Warren Buffett

Der 88-jährige US-Großinvestor Warren Buffett

Die fünf Regeln des Börsengurus Warren Buffett

1. Verlieren Sie kein Geld

Das klingt zunächst wie eine Binsenweisheit. Es bedeutet aber nichts anderes als dass der Erhalt des Vermögens im Vordergrund stehen sollte. Die Gewinnerwartung sollte in den Hintergrund rücken.

2. Vergessen Sie Regel Nummer eins nicht

Die Zusammensetzung des Depots hängt von der Kompetenz des Anlegers ab. Gekauft werden nur Unternehmen, deren Geschäftsmodell der Anleger versteht. Das reduziert die Zahl der Einzeltitel im Depot, oder um es mit Warren Buffett zu sagen: „Wenn Sie über einen Harem mit 40 Frauen verfügen, lernen Sie auch keine richtig kennen.“

3. Handeln Sie langfristig

Laut Buffet ist eine Aktie, die es nicht wert ist, sie weniger als zehn Jahre zu halten, es nicht wert, sie fünf Minuten zu halten.

4. Kaufen Sie stets nur Qualität

Noch so eine vermeintliche Binsenweisheit, die viele Anleger vergessen. Buffett bewertet Management, Wettbewerbsposition und Finanzkennzahlen.

5. Achten Sie auf den Preis

Im Einkauf liegt der Gewinn. Buffett kauft erst dann, wenn er denkt, etwas unter Wert zu bekommen. Die Einschätzung darüber ist vielfach subjektiv.

 

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