Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Vorstandschef der Erste Bank: „Einlagensicherung nur noch mit hohem Selbstbehalt“

Von Von Dietmar Mascher, 20. Oktober 2010, 00:04 Uhr
Treichl: „Beipackzettel für Finanzprodukte“
Das Finanzgeschäft ist populistisch geworden. Andreas Treichl Vorstandschef der Erste Bank Bild: APA

WIEN. Warum die Erste Group und die Sparkassen künftig Beipackzettel zu Finanzprodukten liefern und er für eine massive Einschränkung der Einlagensicherung ist, erklärt Generaldirektor Andreas Treichl im Gespräch mit den OÖNachrichten.

OÖN: Sie haben gesagt, es müsste Beipackzetteln für die Finanzprodukte geben, die die Menschen nicht verstehen. Für welche Produkte der Erste Group müsste es solche Beipacktexte geben?

Treichl: Für alle. Denn es gilt sicherzustellen, dass sich die Kunden des jeweiligen Risikos bewusst sind, das sie eingehen. Die Lehre, die wir aus der Krise ziehen, ist die Verpflichtung, besser als bisher zu erklären, dass beispielsweise hoher Ertrag auch mit höherem Risiko zusammenhängt.

OÖN: Beipackzettel bei Medikamenten sind mittlerweile auch so umfangreich und so klein gedruckt, dass man leicht den Überblick verliert. Wie soll so etwas aussehen?

Treichl: Meine Idee war, dass wir uns mit den Konsumentenschützern zusammensetzen, alle Produkte zu klassifizieren bzw. zu kennzeichnen. Ich war aber chancenlos.

OÖN: Das ist verwunderlich. Alle Beteiligten müssten ein Interesse daran haben.

Treichl: Dann sind Sie so naiv wie ich. Die Konsumentenschützer hatten Angst, sich überflüssig zu machen.

OÖN: Sie können ja ohne Partner Beipackzettel schreiben.

Treichl: Genau in diese Richtung werden wir jetzt gehen.

OÖN: Nächste Woche ist Weltspartag. Die Leute haben keine Angst vor dem Sparbuch, aber das Vertrauen in die Aktien zum Teil vollends verloren. Zu Recht?

Treichl: Das ist ein Zeichen der Verunsicherung und mangelhafter Kommunikation. Dazu kommt, dass wir leider rasch verallgemeinern. Da haben wir mit dem Fußball etwas gemeinsam: Plötzlich ist jeder ein Experte auf diesem Gebiet. Tatsache ist auch, dass das Niveau der Finanzerziehung nicht besonders hoch ist, zumal die Österreicher lange Strukturen wie die Verstaatlichte gewöhnt waren.

OÖN: Das Misstrauen kommt nicht von ungefähr. Es zeichnet sich ab, dass in vielen Bereichen keine Lehren gezogen wurden.

Treichl: Es stimmt. Es wird kein neuer Flieger gekauft, sondern die alten Flugzeuge einer Generalüberholung unterzogen. Ich sehe zwei interessante Strömungen. Zum einen wurde die Krise von der Politik auch populistisch ausgenützt, die Banken in Verruf zu bringen. Aber da darf man nicht wehleidig sein. Und gefühlsmäßig ziehe ich nach Gesprächen auf der Weltbank-Konferenz den Schluss, dass jene Länder und Banken, die von der Krise weitgehend unberührt blieben oder wenig dazu beigetragen haben, viel verantwortungsvoller versuchen, die Lehren aus der Krise zu ziehen. Zum Beispiel die Kanadier. Die USA dagegen tun eher so weiter wie vorher – nicht aus Bosheit, sondern weil das System auch anders ist.

OÖN: Und Österreich sehen Sie eher bei den USA oder bei Kanada?

Treichl: Ganz klar bei Kanada. Unser Bankgeschäft unterscheidet sich von den Investmentbanken mit ihren Deals ganz wesentlich. Wenn wir einen Kredit vergeben, wollen wir daran verdienen, aber wir haben ein Interesse daran, dass der Kunde ihn letztlich zurückzahlt. Wir verkaufen das Risiko des Kredits nicht an jemanden anderen, sondern bleiben bis zur Rückzahlung Partner des Kunden und sind somit laufend in Kontakt mit ihm.

OÖN: Apropos Unsicherheit und Weltspartag. Spüren Sie bei Ihren Kunden eine Unsicherheit, weil die staatliche Einlagensicherung künftig nicht mehr für alle Beträge garantiert ist?

Treichl: Gar nicht. Ich habe aber zur Einlagensicherung meine ganz eigene, nicht unumstrittene Meinung. Um Krisen besser vermeiden zu können, müssen wir die Kunden zu mehr Risikobewusstsein erziehen. Diesem Ziel ist die Einlagensicherung abträglich. Der Kunde sollte schon verpflichtet sein, zu eruieren, was hinter einem größeren Renditeversprechen steckt. Es stimmt einfach nicht, dass Geld auf der Bank zu 100 Prozent sicher sein kann, egal was passiert.

OÖN: Das heißt, Sie sind gegen die staatliche Einlagensicherung.

Treichl: Zumindest bin ich für einen sehr hohen Selbstbehalt.

OÖN: In der Politik stößt die Meinung auf überschaubares Interesse.

Treichl: Zum Teil auf blankes Unverständnis. Ich sehe ein, dass es gegen meine Meinung berechtigte Einwände gibt. Aber zumindest sollte sachlich darüber diskutiert werden.

OÖN: In den drei großen industrialisierten Wirtschaftsblöcken USA, EU und Japan sind die Zinsen auf niedrigstem Niveau. Ist Geld zu billig?

Treichl: Ja, und das macht mir wirklich große Sorgen. Die Niedrigzinsen in den USA halten den Konsum am Laufen. Damit wird das Wachstum in China künstlich hoch gehalten. Der Härtetest kommt aber erst, wenn die Zinsen steigen. Und da habe ich Angst, dass wir über einen längeren Zeitraum japanische Zustände bekommen.

OÖN: Also Deflation, kein Wachstum. Zur Erste Group: In Ungarn werden die Banken kräftig zur Kasse gebeten. Schon überlegt, sich von dort zurückziehen?

Treichl: Nein, wir waren wegen der überraschenden Einführung der hohen Steuern nicht erfreut. Im Raum Österreich-Ungarn zahlen die Banken in absoluten Zahlen künftig mehr Steuern als in Frankreich oder Deutschland. Ungarn bleibt aber unser Heimmarkt.

mehr aus Wirtschaft

Debatte über Arbeitszeit: Wie uns die Lust auf Leistung vergeht

Strabag 2023 mit kräftigem Gewinnanstieg

Heimische Essiggurkerl in Gefahr? Eferding stemmt sich gegen die Türkei

1000 Bauern und Minister Totschnig: Debatte in Pfaffing

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

4  Kommentare
4  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
mitreden (28.669 Kommentare)
am 20.10.2010 17:19

möchte uns noch das letzte geld aus der tasche ziehen, schuldlos ist er sowieso immer.

lädt ...
melden
antworten
hw007 (800 Kommentare)
am 20.10.2010 11:33

in AT liegen etwa 260mrd. auf sparbüchern.
wenn nun die regierung die haftung dafür übernimmt, müßte sie so wie bei bankgeschäften üblich, eine sicherheit vorlegen.

nun, man sieht schnell die sicherheit ist reine lüge am volk, welches dumm genug "erzogen" wurde, dass es dies auch noch glaubt.

lädt ...
melden
antworten
gegenstrom (16.154 Kommentare)
am 20.10.2010 07:14

Das gefällt mir an Treichl, dass er nicht alles schönreden möchte.
Mir ist auch nicht klar, warum der Staat = wir Steuerzahler - eine Einlagesicherung über 100.000 € übernimmt. Wahrscheinlich nur deswegen, weil viele unserer Volksvertreter so viel Geld von uns kassieren, das sie zum Leben nicht brauchen.
Wäre es nicht sinnvoller die BürgerInnen zum Kauf zu animieren anstatt bei Verlustzinsen am Sparbuch darben zu lassen.
Einlagesicherung bis 20.000 € ok, den diesen Betrag braucht man für Finanzierung von unvorhergesehenen Ausgaben.

lädt ...
melden
antworten
( Kommentare)
am 21.10.2010 11:03

Wir sind uns vielleicht einig darüber, dass der Staat, also wir Steuerzahler, nicht für alle Einlagen geradestehen kann. Treichl will einen Selbstbehalt, keine Reduzierung der Einlagesicherheit, vermutlich wegen der Konkurrenz von schlanker organisierter Banken.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen