Sechs Jahre Kern: Image verbessert, Geld verbrannt

Von Susanne Dickstein   14.Mai 2016

Eines ist dem scheidenden ÖBB-Chef und frisch gebackenen Bundeskanzler Christian Kern gelungen: Er hat den Bundesbahnen seinen Stempel aufgedrückt – mehr als seine zahlreichen Vorgänger. Das Unternehmen, das der eloquente Manager seinem Nachfolger hinterlässt, hat seit 2010 einen Imagewandel vollzogen. Raus aus der Schmuddelecke hin zu einem modern anmutenden Konzern. Das sollte aber nicht darüber hinweg- täuschen, dass die ÖBB mehr denn je von den Zuschüssen des Staates abhängig sind. Die ÖBB bleiben eine Baustelle.

Die Bahn sei ein "Wachstumsmodell". Zum fünften Mal hintereinander seien die Zahlen verbessert worden. Dies verkündete ein stolzer Kern bei der Bilanzpressekonferenz vor wenigen Wochen. Der Eindruck mag auf den ersten Blick auch entstehen, zumal die ÖBB laut Geschäftsbericht ein positives Vorsteuerergebnis (EBT) von 193 Millionen Euro ausweisen. Das ist aber nicht so sehr auf Sanierungserfolge zurückzuführen als vielmehr auf eine kreative Darstellung im Bericht.

Auf 200 Seiten wird vor allem eines nach allen Regeln der Kunst verschleiert: Wie viel die Bundesbahnen in Summe an staatlichen Zuschüssen erhalten. Laut VP-Klubobmann Reinhold Lopatka ist der Finanzierungsbedarf in der Ära Kern von 3,7 auf 5,1 Milliarden Euro gestiegen. Summiert man verschiedenste Einzelpositionen im Geschäftsbericht, liegt die öffentliche Finanzierung bei rund 2,7 Milliarden Euro.

So ist allein im Umsatz von 5,2 Milliarden Euro eine Milliarde Euro Beitrag des Bundes gemäß §42 Bundesbahngesetz für den Betrieb der Infrastruktur enthalten. In den sonstigen betrieblichen Erträgen finden sich weitere 634 Millionen Euro Zuschüsse für die Infrastruktur. Den durch Zuschüsse aufgefetteten Gesamterträgen von 6,3 Milliarden Euro stehen 5,5 Milliarden Euro an Gesamtaufwand gegenüber. Allein Personalaufwand, hohe Abschreibungen aufgrund der Investitionen und enorme Zinsaufwendungen bilden einen Fixkostenblock von rund vier Milliarden Euro. Die Eigenkapitalquote liegt bei mickrigen sieben Prozent. Und die Konzern-Geldfluss-Rechnung weist einen negativen Free-Cash-Flow von 565 Millionen Euro aus. Mit anderen Worten: Die ÖBB investieren deutlich mehr, als sie sich trotz aller Zuschüsse leisten können.

Dies ist freilich nur bedingt dem scheidenden ÖBB-Chef Kern anzukreiden, schließlich sind die massiven Investitionen auf Regierungsbeschlüsse zurückzuführen. Egal wie der ÖBB-Chef heißen mag, er muss die Anforderungen und Wünsche seines Eigentümers umsetzen.

"Die ÖBB haben einen staatlichen Auftrag. Das Unternehmen rein nach klassischen betriebswirtschaftlichen Kriterien zu bewerten, wäre unfair. Würde man es dennoch tun, würde ich mir aber Sorgen machen", resümiert Heimo Losbichler, Professor für Controlling, Rechnungswesen und Finanzmanagement an der FH Steyr.

Vergangenen Herbst hat der ÖBB-Aufsichtsrat die von Kern präsentierte Strategie 2020 abgesegnet. Sie sieht einen Anstieg bei den Fahrgästen auf 500 Millionen (derzeit 459 Millionen) und beim Frachtaufkommen auf 150 Millionen Tonnen (zuletzt 109 Millionen) vor. Diese Vorgaben sind aber vergleichsweise unsportlich, nimmt man die Herausforderungen, vor denen der scheidende ÖBB-Chef als Neo-Kanzler steht.

 

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