Schweizer Bahn fährt an der Kapazitätsgrenze

Von Clemens Schuhmann aus Olten   07.Mai 2018

"Der Kluge reist im Zuge": Dieses Motto der "Schweizerischen Bundesbahnen" (SBB) nehmen die Eidgenossen wörtlich. Mit 2277 Bahnkilometern je Einwohner sind die Schweizer Weltmeister. Im Schnitt fahren täglich mehr als eine Million Schweizer mit dem Zug – bei 8,4 Millionen Einwohnern.

Die ungebremste Anziehungskraft der Eisenbahn hat mehrere Gründe. So sind die SBB ein wichtiger Identifikationsträger der Eidgenossen. Zudem gibt es ein attraktives Angebot, einen vernetzten Taktplan, gute Anschlüsse, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, hervorragendes Störungsmanagement, motiviertes Personal, moderne Zuggarnituren und ein durchgehendes Tarifsystem.

Der Erfolg stellt aber gleichzeitig eine enorme Belastung für die SBB dar, denn die Eisenbahn wird Opfer ihres eigenen Erfolges. Die Züge sind auf manchen Strecken in den Stoßzeiten so voll, dass nicht mehr jeder mitfahren kann. Dabei werden häufig schon Doppelstock-Waggons eingesetzt.

"Es ist spürbar enger geworden", sagte Gregor Saladin, Sprecher des Bundesamtes für Verkehr (BAV), im Gespräch mit österreichischen Journalisten in der SBB-Betriebszentrale Mitte in Olten. "An manchen Tagen ist es so, dass nicht mehr alle Passagiere einsteigen dürfen."

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Zürich–Bern hauptbetroffen

Stark betroffen sei etwa die Strecke Zürich–Bern. Auf die Frage, ob die Züge tatsächlich bereits zu voll seien, antwortete Saladin: "Wir sagen Nein, die Passagiere sagen Ja. Wir haben einen halben Quadratmeter pro Passagier definiert – aber ob das auf einer längeren Strecke ausreicht, ist fraglich."

Aus Sicht der SBB sei die größte Herausforderung, den Mischbetrieb zu managen, sagte Thomas Wirz, der Leiter der SBB-Betriebszentrale in Olten. "Wir haben zwischen Zürich und Bern jede halbe Stunde einen Schnellzug, in den Hauptverkehrszeiten alle 15 Minuten. Und dazwischen fahren langsamere Güterzüge und Schnellbahnen." Entscheidend dabei ist laut Wirz, "möglichst viel Tonnage auf der Schiene durchzubringen – ohne den Personenverkehr zu beeinträchtigen".

Dynamische Signalgebung

Eine Möglichkeit, die Kapazitäten noch zu erhöhen, sieht SBB-Manager Wirz in der dynamischen Signalgebung: "Man kann mit mobilen statt fixen Signalen noch etwas herausholen. Aber irgendwann ist das auch ausgereizt."

Ein weiterer, massiver Ausbau der Bahninfrastruktur ist daher unerlässlich, denn laut Prognosen des Bundesamtes für Verkehr werden der öffentliche Personenverkehr bis 2040 um 41 und der Schienen-Güterverkehr um 45 Prozent wachsen. "Ein weiterer Ausbau ist zwingend", sagte BAV-Sprecher Saladin. Im Zuge des Projektes "Ausbau 2035" werde man daher 35 Milliarden Franken (29,6 Milliarden Euro) in die Bahninfrastruktur investieren.