Schiefergas und niedrige Löhne: Wie die USA Europas Industrie überholen

28.August 2014

Die USA erleben eine Renaissance der Industrie. US-Konzerne kehren China den Rücken, um wieder auf dem Heimmarkt zu produzieren. Europäische Unternehmen wie Rolls-Royce, Airbus oder auch die Linzer voestalpine investieren in Produktionen in den USA. Voestalpine-Chef Wolfgang Eder und OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss diskutierten gestern in Alpbach auf Einladung von Wirtschaftslandesrat Michael Strugl, ob diese Entwicklung in den USA für Europa Fluch oder Segen ist.

Mit auf dem Podium war Harold Sirkin, Berater der Boston Consulting. Er analysierte die Ursachen für den Aufschwung in den USA. Die US-Wirtschaft habe zuletzt deutlich an Produktivität gewonnen. Ein moderater Anstieg der Löhne und ein schwacher Dollar in den vergangenen Jahren hätten ihr Übriges zum Aufstieg beigetragen. Dadurch konnten die USA ihre Wettbewerbssituation verbessern.

Heute betragen die Kostenvorteile einer Produktion in China gegenüber den USA zwischen fünf und zehn Prozent, sagt Sirkin. "Da überlegen viele, wieder in den USA zu produzieren." Die USA hätten sich zu einem Niedriglohnland entwickelt. Die Fertigungskosten würden in Österreich um elf Prozent, in Deutschland sogar um 21 Prozent über jenen in den USA liegen. Ein Argument für den Standort ist auch die massive Förderung von Schiefergas, wodurch die Energiekosten um bis zu zwei Drittel unter jenen in Europa liegen. Für die voestalpine war dies neben optimaler logistischer Voraussetzung das Entscheidungskriterium für die Errichtung des neuen Werks in Corpus Christi. Die texanische Stadt sei von Größe und Umfeld mit Linz vergleichbar, erzählte voest-Chef Eder. "Aber dort werden zurzeit zehn Milliarden Euro investiert. In einem Radius von drei Kilometern um unseren Standort entstehen aktuell 2000 Arbeitsplätze." Die voestalpine wird bis 2020 ihren Umsatzanteil in Europa von derzeit 73 auf 60 Prozent reduzieren.

Wie Eder kritisierte auch Roiss, dass vieles, was in Europa machbar wäre, gar nicht erst begonnen würde. Als Beispiel nannte er die Erforschung der Schiefergasvorkommen. "Wir wissen, dass wir in Österreich Schiefergas haben, aber wir wissen nicht, ob es brauchbar wäre. Aber wir dürfen nicht einmal Probebohrungen vornehmen." Der Anteil der EU am weltweiten Export von energieintensiven Gütern werde bis 2035 von derzeit 36 auf 26 Prozent sinken.

Michael Strugl warnte davor, dass Österreichs Wirtschaft sich auf einen Kostenwettbewerb einlässt. "Natürlich müssen wir unsere Kosten im Griff haben, aber unsere Antwort im Wettbewerb muss Innovation heißen." (sd)