Rechtsschutz: Gesamtpaket muss stimmen

Von Hermann Neumüller   10.August 2018

Der Streit mit dem Nachbarn, der Schadenersatzprozess nach einem Verkehrsunfall, der Disput mit der Verwandtschaft bei Erbangelegenheiten. Die Anlässe, für die ein Konsument eine Rechtsschutzversicherung brauchen könnte, sind ebenso vielfältig wie das Angebot. Aber braucht man sie wirklich?

"Rechtsschutzversicherungen können Konsumenten das zumeist sehr hohe Kostenrisiko eines Gerichtsverfahrens abnehmen", sagt Ulrike Weiß, Leiterin der Abteilung Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Oberösterreich. Ob man das unbedingt braucht, muss jeder selbst entscheiden. Zumindest für Autofahrer scheint eine Rechtsschutzversicherung ratsam.

Veranlagung ausgenommen

Die Konsumentenschützer der Arbeiterkammer haben das Angebot an Rechtsschutzversicherungen für Familien verglichen und kommen zu einigen Schwächen, die man vor Abschluss einer Versicherung beachten sollte. "Die Versicherungsbedingungen enthalten etliche Leistungsausschlüsse", sagt Weiß. Zuletzt hätten die Versicherungen bei neuen Verträgen Streitigkeiten aus Vermögensveranlagungen aus den Deckungen genommen.

Vorsicht ist hier angebracht, falls jemand die Versicherung wechseln will. Aber auch bei scheinbar verlockenden Angeboten auf Vertragsänderungen sollte man genau hinsehen, wie der Fall einer Linzerin zeigt. Sie bekam Ende Mai ein interessant klingendes Treueangebot ihrer Versiche

rung. Als Dankeschön sollte der Vertrag für die langjährige Kundin auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Vorteile seien neben einer etwas erhöhten Versicherungssumme mehr Versicherungsschutz durch Zusatzleistungen. Und das für nur einen Euro Mehrprämie im Jahr, den sogenannten "Treue-Aktions-Euro". Bei genauerer Durchsicht der Unterlagen bemerkte die Konsumentin dann allerdings im mitgeschickten Aktionsangebot auch den Hinweis, dass Streitigkeiten aus einer Vermögensveranlagung zukünftig nicht versichert sind. Diese waren im Vertrag der Konsumentin aus dem Jahr 2010 noch mit Ausnahme von Spekulationsgeschäften gedeckt.

Generell gelte aus Sicht der Konsumentenschützerin Weiß: "Das Gesamtpaket muss stimmen." Die Polizzen bestehen meist aus einzelnen Bausteinen. Man sollte jene heraussuchen, "die dem eigenen Lebensumfeld entsprechen, und sich die Frage stellen: Was bedroht mich existenziell?" Der Kfz-Rechtsschutz sei auf jeden Fall ein sinnvoller Schutz, da in diesem Bereich die meisten Schadensfälle auftreten und das Kostenrisiko nach einem Verkehrsunfall mit schweren Verletzungen und unklarer Verschuldensfrage besonders hoch ist. Beim Privat-Rechtsschutz gibt es eine Vielzahl von Leistungsbausteinen. Die reichen von Straf-Rechtsschutz über Familien- und Erbrechtssachen, Grundstückseigentum bis hin zu Arbeitsgerichts- und Sozialversicherungs-Rechtsschutz.

Man sollte bei der Auswahl dieser Bausteine genau überlegen, ob man diese tatsächlich braucht und vor allem, wie viel sie kosten. Beim Arbeitsrechts- und Sozialversicherungs-Rechtsschutz macht Weiß Werbung in eigener Sache. "Ich denke, dass wir für Arbeiterkammermitglieder diesen Bereich sehr gut abdecken", sagt Weiß.

Für den Extremfall

Manche Versicherungen bieten als Zusatzdeckung bis zu einem gewissen Betrag auch eine Ausfallversicherung für Ansprüche aus Körperschäden an, die einem gerichtlich zugesprochen wurden. Zum Beispiel wird der Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem Ski- oder Fahrradunfall abgedeckt, wenn der Unfallgegner zahlungsunfähig ist und auch über keine Haushalts- bzw. Privathaftpflichtversicherung verfügt. Diese Zusatzdeckung kostet oft nicht viel. "Im Extremfall kann dies aber existenzbedrohend sein."

Die Prämien für Rechtsschutzversicherungen reichen von 230 bis 447 Euro pro Jahr. Vergleichbar sind die Angebote nur schwer, weil sowohl die Laufzeiten als auch die Versicherungssummen stark variieren.

Den aktuellen Vergleich von zwölf Produkten gibt es unter www.ooe.konsumentenschutz.at

 

Richtig versichern

Deckung: Auch wenn die Angebote „All-Inclusive-Paket“ oder „Komplett-Rechtsschutz-Paket“ heißen, gibt es keine Rechtsschutzversicherung, die alle Risiken abdeckt.

Hausbau und Scheidung: In der Praxis sind häufig vorkommende Streitigkeiten rund um den Hausbau samt Planung und Finanzierung nach üblichen Versicherungsbedingungen generell vom Versicherungsschutz ausgenommen. Dasselbe gilt für Ehescheidungen.

Versicherungswechsel: Beim Wechsel des Anbieters kann es zu Deckungslücken kommen, weil bei vielen Leistungen Wartefristen einzuhalten sind. Die üblichen Wartefristen bei Neuverträgen betragen je nach Leistungsbaustein zwischen drei und zwölf Monaten.

Streit mit der eigenen Versicherung: Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen sind ein wichtiger Baustein. Man sollte prüfen, ob die Versicherung auch Streitfälle gegen sich selbst deckt. Im Zweifelsfall sollte man die Rechtsschutzversicherung bei einem anderen Anbieter abschließen.

Versicherungssumme: Hier sollte man nicht sparen. Meist ist der Prämienzuschlag für eine höhere Deckungssumme nicht allzu groß.