Ökonomen für Cannabis-Freigabe, Schneider: "Vorteile überwiegen"

Von OÖN   19.Februar 2018

Vor wenigen Tagen wurde Hanf als Kulturpflanze des Jahres ausgezeichnet. Für eine Freigabe von Cannabis rühren ausgerechnet Ökonomen die Trommel. Viele Länder, die den Konsum der Hanf-Droge legalisiert haben, machen positive Erfahrungen. In Österreich geht es in die Gegenrichtung.

"Mit der Legalisierung fällt die gesamte Beschaffungskriminalität weg. Der Preis fällt, weil die illegale Nachfrage sinkt. Der Drogenhandel ist der größte Zweig der organisierten Kriminalität mit 500 bis 600 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr. Wenn man die Drogen weltweit legalisiert, verliert sie mindestens die Hälfte ihres Geschäfts", sagt der Linzer Volkswirt Friedrich Schneider. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Schattenwirtschaft.

Seit Jahren beschreiben Wissenschafter positive wirtschaftliche Wirkungen einer Drogenfreigabe, vor allem von Cannabis: Wenn die Droge von konzessionierten Geschäften – in Österreich z. B. Apotheken oder Drogerien – statt von kriminellen Banden abgegeben wird, sind das offizielle Geschäfte, die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bringen.

Auch bei den Anbauern und ihren Lieferanten entstünde Wertschöpfung. Die Firma Seedo, ein Erzeuger von Gewächshäusern, hat erheben lassen, dass allein die Stadt Wien im Jahr 47 Millionen Euro Steuer einheben könnte, wenn Cannabis wie Tabak besteuert würde (74 Prozent).

USA: 300.000 Arbeitsplätze

In den USA erwarten Produzenten und Fachhändler von der Freigabe in Kalifornien (Neujahr 2018) einen Milliardenschub. Die Analysten von Arcview rechnen damit, dass 2021 20 Milliarden Dollar mit legal erworbenen Cannabis-Produkten umgesetzt werden. Der Fiskus wird mit vier Milliarden Steuereinnahmen profitieren. Es werden bis dahin 300.000 direkte Arbeitsplätze entstehen, mehr als ein Drittel davon in Kalifornien. Dort war Cannabis medizinisch schon seit 1996 erlaubt; heuer wurde es als reines Genussmittel freigegeben.

Ein Vorreiter der Debatte, der Ökonom Justus Haucap von der Uni Düsseldorf, sieht aber nicht die wirtschaftlichen Effekte vorrangig. Vor allem weil Cannabis gesundheitsschädlich sei, sollte der Stoff "dem organisierten Verbrechen entzogen werden". Deshalb müsse der Markt behördlich kontrolliert werden. "Die kontrollierte Freigabe schützt die Konsumenten besser als ein Verbot." Der illegale Handel habe kein Interesse am Jugendschutz und an gesicherter Produktqualität.

Er wollte außerdem härtere, teurere Drogen verkaufen – auch um die Abhängigkeit der Konsumenten zu erhöhen. In lizenzierten Geschäften wäre eine gezielte Aufklärung möglich. Die Dealerringe verlören den Kontakt zu Kunden, auch für Heroin, Kokain etc. "Einziger Profiteur der restriktiven Politik ist die organisierte Kriminalität", warnt Haucap.

In Österreich ist eine Mehrheit für den medizinischen Einsatz des Mittels, 64 Prozent lehnen eine völlige Freigabe ab (Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek). Die neue Bundesregierung hat in ihrem Programm stehen: "Verbot des Verkaufs von Hanfsamen und Pflanzen." Es geht also in die Gegenrichtung. Bislang soll es noch leicht möglich sein, zum eigenen Anbau Pflanzensetzlinge zu bekommen. Der Linzer Suchtexperte und Psychiater Kurosch Yazdi warnt seit Jahren vor einer Verharmlosung der Einstiegsdroge.

In seinem Buch "Die Cannabis-Lüge" beschreibt er die Suchtgefahr. Neue Züchtungen enthielten heute ein Vielfaches des gefährlichen Wirkstoffs THC. Bei einer kontrollierten Abgabe könnten die Inhaltsstoffe aber kontrolliert werden, sagen Befürworter.

Ökonom Schneider: "Ökonomisch überwiegen die Vorteile einer Legalisierung. Es ist eine moralische Frage, ob jedem das Recht zugestanden wird, Drogen zu nehmen und sich damit womöglich umzubringen." Zusatz: Beim Alkohol mache man das bei uns.

Die verbotene Pflanze

Hanf (Cannabis Sativa) wird seit Menschengedenken als Heilpflanze eingesetzt. In den 1950er-Jahren wurde es fast überall verboten. Für medizinische Zwecke ist es in vielen Ländern wieder verfügbar. Etliche Länder haben den Konsum auch als Suchtmittel legalisiert. Positive Entwicklungen werden aus Uruquay, Portugal oder den Niederlanden berichtet: Die Zahl der Konsumenten – wie Gegner oft behaupten – steige nicht.