Milchmarkt spielt verrückt, in Österreich ist Ware knapp

Von Josef Lehner   05.Oktober 2013

Österreichs Molkereien klagen, dass die Bauern seit Monaten weniger Milch anliefern. Das Minus betrage seit Start des Milchwirtschaftsjahres am 1. April rund zwei Prozent und habe zur Folge, dass nicht mehr alle Kunden bedient werden können. Die Nachfrage ist international so hoch wie nie zuvor, getrieben vor allem vom Konsum in Schwellenländern wie China.

Gleichzeitig informierte die Europäische Kommission diese Woche die Öffentlichkeit, dass im Wirtschaftsjahr 2012/13, das am 31. März endete, in fünf Mitgliedsländern die vereinbarten Produktionsquoten bei Milch überschritten worden seien. Die Bauern, die ihre Betriebsquoten überzogen hätten, müssten in Summe 46 Millionen Euro Überschussabgabe zahlen, den Großteil mit 28,7 Millionen jene in Österreich.

Enorme Investitionen

Die zwei Meldungen stehen exemplarisch für die aktuellen Verwerfungen auf dem internationalen Milchmarkt. Die österreichischen Molkereien trifft der Engpass auf dem falschen Fuß, da sie derzeit ihre Verarbeitungskapazitäten massiv ausweiten. Marktführer Berglandmilch investiert heuer 20 Millionen Euro, um sein Käsewerk in Wörgl beinahe zu verdreifachen. Heuer und 2014 werden die Standorte Aschbach (NÖ) und Feldkirchen bei Mattighofen erweitert.

„Wir erwarten, dass die Milchbauern nach Wegfall der EU-Quoten im Jahr 2015 mehr Milch liefern werden und wollen dafür gerüstet sein“, sagt Generaldirektor Josef Braunshofer. Gmundnermilch hat aus demselben Grund 25 Millionen Euro investiert, um die Milchverarbeitung um 20 Prozent steigern zu können. SalzburgMilch steckt 45 Millionen Euro in ein neues Käsezentrum.

Die Molkereichefs sind zuversichtlich, dass der derzeitige Lieferengpass vorübergehend sein wird, weil die Bauern heuer wegen der Dürre weniger Futter haben und deshalb den Kuhbestand reduzieren. Wenn die EU die Milchmengen zum 1. April 2015 frei geben wird, wird mit einem Produktionsanstieg von zumindest 15 Prozent gerechnet.

Bauernflucht nach Bayern

Andererseits verlieren die Molkereien Bauern: Zum 1. Oktober haben 121 Bauern aus dem Inn-, Hausruck- und Mühlviertel den Liefervertrag mit Berglandmilch gekündigt. Sie wollen ab 1. April 2015 bayerische Molkereien beliefern, wie es seit Jahren schon rund 700 andere oberösterreichische Milchbauern tun. Grund: Die Bayern zahlen derzeit rund zwei Cent mehr pro Liter. Der Rohstoff ist in Deutschland knapp, weil die Molkereiriesen lieber nach China exportieren, wo sie mehr verdienen.

Derzeit fließen 80 Millionen Liter Rohmilch im Jahr nach Bayern ab, ab 2014 werden es rund 105 Millionen sein. Hauptbetroffen ist Berglandmilch, die allein mit der letzten Kündigungswelle 23 Millionen Liter verliert. Das sind zwar keine zwei Prozent der Gesamtmenge, aber, so Braunshofer: „Wir kämpfen um jeden Lieferanten und werden alles tun, dass all jene, die uns treu bleiben, darin bestätigt werden, die richtige Wahl getroffen zu haben.“

Große Herausforderung für die Milchverarbeiter: Sie müssen ihre steigenden Kapazitäten auslasten und verdienen. Das geht nur über den Export. Berglandmilch will ihn von derzeit 37 auf 45 Prozent des Umsatzes von 850 Millionen Euro steigern.

 

Die Milchpreis-Falle

750 Bauern aus Oberösterreich liefern bereits über den Verein der Milchproduzenten nach Bayern, rund 105 Millionen Liter im Jahr. Vergleich: Berglandmilch verarbeitet 1270 Millionen Liter im Jahr.

45,8 Cent pro Liter zahlt die bayerische Molkerei Bergader, etwa zwei Cent mehr als die Österreicher. Vor zwei Jahren lag der Preis unter 30 Cent – er war nicht kostendeckend.

Starke Preissteigerungen können für Bauern wie Molkereien zur Falle werden: Die Lebensmittelindustrie ersetzt dann tierisches durch billiges pflanzliches Fett. Das hat vor fünf Jahren einen starken Milchpreisverfall ausgelöst.