Ist der Bitcoin ein Fall für die Polizei?

Von Dietmar Mascher   01.Februar 2018

Er halte es mit seinem Kollegen aus China, der die Zuständigkeit für Bitcoins nicht bei der Geldpolitik, sondern bei der Polizei verortet.

OÖNachrichten: Die USA führen wieder Strafzölle ein, kündigen Handelsverträge, und der Finanzminister redet den Dollar schwach, was ein Novum darstellt. Befinden wir uns in einem Handelskrieg?

Nowotny: Das zu sagen, wäre übertrieben. Aber es gibt tatsächlich bedenkliche Tendenzen. Schließlich war man sich auf Ebene der G20 und des Währungsfonds einig, dass Protektionismus langfristig allen schadet. Bei den USA ist ein Rückfall zu befürchten, der bestenfalls kurzfristig hilft, aber langfristig auch den USA schadet. Das Kündigen von Handelsverträgen und die Strafzölle sind Alarmsignale. Man kann nur hoffen, dass auf internationaler Ebene schnell reagiert wird.

Wie kann denn die EU reagieren?

Wir müssen in den entsprechenden Wirtschaftsgremien die Stimme erheben. Und es ist gut, dass die EU mit einer Stimme spricht und entsprechendes Gewicht hat. Schließlich ist die EU auch für die USA ein wichtiger Markt.
Sie argumentieren sehr rational. Es ist aber zu beobachten, dass das derzeit nicht gerade Oberwasser hat. Das ist leider richtig und für Ökonomen bei ihrer Beurteilung ein Problem. Langfristig wird sich aber die rationale Überlegung durchsetzen.

Ist es nicht skurril, dass die USA protektionistisch agieren und die Chinesen dem Freihandel das Wort reden?

Hier muss man die Kirche im Dorf lassen. Auch China handelt im eigenen Interesse. Den richtigen Ansatz vertritt die EU, nämlich einen Freihandel mit Bedingungen. Es gilt, mit Handelsabkommen auch die Umwelt- und Sozialstandards und Methoden einer fairen Konfliktregelung zu sichern.

Europas Wirtschaft wächst kräftig. Ein Wachstum ohne Sorgen oder eines, das Probleme verdeckt?

Die Eurozone wächst heuer um 2,3 Prozent, Österreich sogar um 2,8 bis drei Prozent. Es liegen aber auch einige deutlich darunter. Sorgen bereitet etwa Italien mit einem Wachstum von nur 1,4 Prozent, einer Arbeitslosenrate von mehr als elf Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit von 20 Prozent.

Und im Frühjahr wird gewählt, was auch nicht unbedingt ein Beitrag zur Stabilisierung sein muss.

Es braucht tatsächlich strukturelle Veränderungen z. B. in Justiz und Verwaltung. Wir können nur versuchen, dies auf EU-Ebene zu unterstützen. Italien braucht einen starken Aufschwung, ebenso Spanien, wo die Arbeitslosigkeit zwar sinkt, aber immer noch bei 14,8 Prozent liegt und fast jeder dritte Jugendliche arbeitslos ist.

Warum geht es Österreich jetzt so gut?

Uns helfen die Exporte nach Ost- und Westeuropa. Und eine erfolgreiche Steuerreform hat dazu geführt, dass der Konsum gestärkt wurde. Vor allem sind auch die Bruttoanlageinvestitionen um 5,1 Prozent gewachsen. Das ist ein deutliches Indiz, dass es sich jetzt um kein Strohfeuer handelt.

Wann, wenn nicht jetzt, wird Österreich endlich einmal einen Budgetüberschuss erzielen?

Nach unserer Prognose und unter der Annahme, dass keine außergewöhnlichen Änderungen bei Ausgaben und Einnahmen stattfinden, beträgt das Budgetdefizit heuer 0,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, 2019 0,1, und 2020 sollte es einen Überschuss von 0,2 Prozent geben.

Was hindert die Regierung, mit neuen Zuckerln diesen Pfad zu verlassen?

Die neue Regierung hat eine gute Situation geerbt, und ich gehe davon aus, dass sie dieses Erbe nicht leichtfertig aufs Spiel setzt.

Was erwarten Sie von angekündigten Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung?

Ich beurteile keine Ankündigungen, sondern Ergebnisse. Es ist keine Frage, dass es in der Verwaltung Möglichkeiten gibt, zu sparen und Dinge zu vereinfachen. Da nehme ich auch das Bankensystem und die Bankenaufsicht nicht aus. Der Bankensektor ist überreguliert. Das muss man selbstkritisch sagen. Österreich wird das allein nicht ändern können. Aber man kann einiges deregulieren, ohne in alte Fehler zurückzuverfallen. Die Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht bemühen sich um eine Unterscheidung großer und kleiner Banken. Denn Regulierungen sind Fixkosten und treffen kleine Banken stärker.

Die Kleinen büßen auch für die Fehler der ganz großen Banken wie etwa der Deutschen Bank. Auch die ganz Großen bekamen neue Regeln.

Man muss nur aufpassen, dass diese nicht durch besonders hartnäckiges Lobbying ausgehebelt werden. Auf nationaler Ebene ist es wichtig, die Abwicklungsregelung für Banken so zu entwickeln, dass diese nicht automatisch vom Staat aufgefangen werden müssen, falls sie in Probleme kommen.

Der Strukturwandel bei den Banken ist aber noch lange nicht abgeschlossen.

Der ist getrieben von den Kunden und der Digitalisierung und geht weiter. Das ist genauso unumkehrbar wie die Ausdünnung des Filialnetzes. In Österreich ist noch besonders, dass es große Gruppen von Banken gibt, wie Raiffeisen, Sparkassen und Volksbanken. Innerhalb dieser Gruppen wird die Aufgabenteilung noch präziser und klarer werden müssen. Aber da ist ohnehin eine Dynamik erkennbar.

Sie warnen vor den Gefahren von Kryptowährungen und Bitcoins. Diese beruhen aber auf der Blockchain-Technologie, die durchaus ihre Vorteile hat.

Es stimmt, dass im Bereich der Bitcoins und anderer so genannter Kryptowährungen vieles irrational abläuft. Mit der Blockchain-Technologie selbst beschäftigen sich auch die Notenbanken. Sie können helfen, den Zahlungsverkehr zu verbessern, allerdings jenen mit legalem Geld, wo die Notenbanken dahinterstehen und das auf gesetzlicher Basis entstanden ist. Bitcoins sind nicht transparent und öffentlich entstanden und eignen sich für die Geldwäsche.

Soll man Bitcoins verbieten?

Ich war lange der Auffassung, dass die Investition in Bitcoins Privatangelegenheit sein soll. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass es eine gesetzliche Regelung braucht. Es ist ja absurd: Wir überprüfen jeden Sparverein wegen Geldwäscheverdachts, gleichzeitig wird dem über Bitcoins Tür und Tor geöffnet. Mir gefällt, was der chinesische Notenbank-Chef darüber gesagt hat. Bitcoins sind für China keine Angelegenheit der Geldpolitik, sondern der Polizei.

Sie sagen, dass wir noch länger mit Bargeld bezahlen werden. Das bezweifeln nicht wenige.

Das wird der Bürger entscheiden. Österreich ist bargeldaffin. 67 Prozent des Einkaufsvolumens in Österreich wird an der Kassa bar bezahlt, ähnlich wie in Deutschland. In Frankreich und Finnland etwa überwiegen Kartenzahlungen.

Was halten Sie vom Argument, dass die Staaten das Bargeld abschaffen wollen, damit sie Negativzinsen noch weiter drücken und sich so entschulden können?

Das ist eine akademische Diskussion, die in der Praxis keine Rolle spielt. Die Negativzinsen können natürlich kein Dauerzustand sein.

 

"Anleihenkäufe rasch beenden"

OÖNachrichten: Die Konjunktur läuft gut, die Inflation könnte steigen. Wann wird die Europäische Zentralbank ihre Politik der niedrigen Zinsen und der Anleihenkäufe ändern?

Nowotny: Der Ablauf entspricht jenem in den USA. Nur ist Europa im Konjunkturzyklus etwas hinten. Seit 1. Jänner kauft die EZB weniger Anleihen, statt um 60 nur noch um 30 Milliarden Euro pro Monat. Das läuft bis September. Bis dahin wird eine Entscheidung fallen, wie es danach weitergeht.

Und dann könnte es eine erste Anhebung der Leitzinsen geben?

Jedenfalls erst nach Ende des Ankaufsprogramms. Und wenn man das gemacht hat, wird die EZB auch die Bilanzsumme wieder reduzieren und fällig werdende Anleihen nicht mehr ersetzen. Die große Frage ist, in welchem Zeitrahmen sich das abspielt.

Wofür sind Sie?

Ich mache kein Hehl daraus, dass wir jetzt in einem Zustand sind, wo wir aus meiner Sicht das Anleihenkaufprogramm beenden sollten. Das wird dann auch eine Erhöhung der langfristigen Zinsen nach sich ziehen.

 

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