Forscher fordern radikalen Umbau des europäischen Wirtschaftssystems

Von (hn)   26.Februar 2016

Ein Netzwerk von 34 Forschungsinstituten aus zwölf EU-Staaten unter der Führung des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) hat ein Konzept erarbeitet, wie die Union ihrer wirtschaftlichen Stagnation entkommen könnte. Herausgekommen ist ein radikales Konzept, das praktisch einen Neustart der Wirtschafts- und Sozialpolitik bedeuten würde. Gestern wurde es in Brüssel präsentiert.

Es sei ein "radikales Konzept", das zumindest zehn bis 15 Jahre zur Umsetzung brauchen würde, sagte Wifo-Chef Karl Aiginger gestern im "Ö1 Morgenjournal". Und es sei auch nicht "auf dem Befehlsweg" in der gesamten EU von oben herab durchzusetzen. Aber die Union müsse sich in diese Richtung bewegen, um neue Wege finden zu können.

Einer der Kernpunkte des Konzepts: Die EU müsse sich von den fossilen Energieträgern verabschieden, wozu sich die Politiker ohnehin am Pariser Klimagipfel im Dezember verpflichtet haben. Außerdem müssten der Faktor Arbeit von der Steuerlast befreit und dafür Energie, Ressourcenverbrauch und auch Vermögen stärker besteuert werden.

Steuerlast auf Arbeit halbieren

Wie das für Österreich aussehen könnte, erläuterte Aiginger im Morgenjournal-Interview. Derzeit werde der Faktor Arbeit mit rund 20 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung belastet. Diese Last müsse halbiert werden und entsprechend durch Abgaben auf fossile Energie, aber auch durch eine höhere Grundsteuer und eine "kleine Erbschaftsteuer" ersetzt werden.

Das Reformkonzept geht aber weit über reine Umschichtungen im Steuersystem hinaus. Die Sozialsysteme etwa müssten so umgebaut werden, dass sie präventiv wirken. Nicht erst wenn jemand krank oder arbeitslos ist, soll der Staat eingreifen. Es müsse in Gesundheit, Bildung und in den Arbeitsmarkt investiert werden.

Die EU sei über Jahrzehnte Garant für Integration, Frieden und Wohlstandssteigerung gewesen, heißt in einer Aussendung des Wifo. Derzeit drohe die EU zu scheitern, die Schuldenkrise und die Wirtschaftsflaute der vergangenen Jahre und die daraus resultierenden sozialen und finanziellen Verwerfungen brächten zunehmend Verteilungskämpfe mit sich.

Der mit dem Konzept vorgeschlagene neue Weg der EU müsse über eine Belebung der Wirtschaftsdynamik führen. Diese dürfe aber nicht an den Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gemessen werden, denn diese Größe sei angesichts der sozialen Unsicherheit und ungebremst zunehmender Umweltbelastung nicht mehr die richtige Messgröße für den Lebensstandard der Bevölkerung. 

 

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