Firmen gegen Shitstorm nicht gerüstet: Internet kann die Existenz gefährden

Von Josef Lehner   20.März 2013

„Shitstorm“ – ein Sturm der Entrüstung im Internet hat das Image des Ölkonzerns BP 2010 nach dem Brand der Plattform „Deep Water Horizon“ im Golf von Mexiko binnen Tagen zerstört. Oder: Erst Anfang März hat ein Meinungsvirus die Wurstsemmel-Kampagne von McDonald’s vom Positiven ins Lächerliche gedreht.

nachrichten.at interviewte den 26-Jährigen, der durch seinen Schnappschuss den Shitstorm augelöst hat. 

Der Unterschied: BP wollte die Kritik aussitzen. McDonald’s hat den Fehler sofort eingestanden und die TV-Spots sowie Großflächenplakate zurückgezogen.

Es fehle jedoch meist an der fachlichen Kompetenz in den Unternehmen, sagt Josef Altmann, Studiengangsleiter für KommunikationWissenMedien an der Fachhochschule Hagenberg: „Die Internet-Kommunikation erfordert ganz neue Berufsbilder. Eines ist der Social Media Manager.“

voestalpine hat Handbuch

Viele Manager oder Eigentümer würden zu spät und/oder falsch reagieren, wenn ihr Unternehmen, ein Produkt oder eine Person im Internet durch den Kakao gezogen werde. „In den Unternehmen ist überhaupt nicht geregelt, was dann zu tun ist“, sagt Altmann. Das dafür nötige Konzept habe etwa die voestalpine in Linz.

Die Verantwortliche für „Online und Social Media Management“, Andrea Zajicek: „Es gibt ein Manual für alle 46.500 Konzernmitarbeiter, in 13 Sprachen, wie grundsätzlich im Internet agiert und reagiert werden soll.“ Alle Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen der Konzernunternehmen wiederum hätten tiefer gehende Richtlinien. „Wir möchten das in der dezentralen Verantwortung haben“, sagt Zajicek.

Doch die Masse der Betriebe? „Wir haben klein- und mittelständische Unternehmen als Kunden, die gar nicht die Zeit haben, sich damit ausgiebig zu beschäftigen“, sagt der Innviertler Berater Heinz Brückl, der die Firmen bei ihrem Social-Media-Auftritt unterstützt. Das Internet verlange nach permanenter Präsenz und rascher Reaktion, nicht erst „wenn eine Bewegung in Gang gekommen ist, die nicht mehr kontrollierbar ist.“ Viele Konsumenten stützten sich heute auf Bewertungsplattformen. Darauf sei zu achten: „Die Firmen wissen aber oft nicht einmal, was über sie kommuniziert wird.“

Wenn sich ein böses Virus über ein Unternehmen im Netz verbreitet hat, sei es eigentlich zu spät, sagen die Experten. „Man muss im Vorfeld agieren und seine Inhalte auf Angriffspunkte checken“, sagt Brückl. Das vermeide in 99,9 Prozent der Fälle Probleme.

Es beginnt mit Ausbildung

Josef Altmann setzt ganz am Anfang an: Ausbildung von Experten für die Präsenz im Internet allgemein, auf Social Media im Besonderen: „Da ist ein Defizit. Das können die Wenigsten.“ Seine Studenten würden in Kommunikationswissenschaften ebenso geschult wie in „journalistischer Schreibe“, in Pädagogik und Didaktik. Es sei ein interdisziplinäres Studium von Sozialwissenschaften und Informationstechnologie. Es gehe primär auch nicht darum, Schaden zu reparieren, sondern eine positive Web-Präsenz aufzubauen: Wie soll etwas formuliert und wo positioniert werden? Dann könne ein Virus segensreiche Kraft entfalten. So hat der Wiener Firma Niemetz heuer ein „süßer Internetsturm“ (vorerst) das finanzielle Überleben gerettet. Allerdings war das nicht geplant, sondern die Dynamik des Internets trat eigenmächtig die Lawine los.

 

Tipps gegen Shitstorm

Grundsätzlich: Jedes Unternehmen sollte firmeninterne Richtlinien haben, wie es mit Social Media umgeht: Wer, was, wann, wo...? Das beginnt beim aktiven Auftreten im Netz. In einem Notfall sollte nicht Ratlosigkeit herrschen, sondern alle sollten wissen, wer auf ein negatives Virus wie zu reagieren hat.

Regelmäßig: Die Reaktionen der Internet-Gemeinde auf Aktivitäten des Unternehmens sollten regelmäßig beobachtet und ausgewertet werden.

Im Notfall: „Möglichst schnell auf möglichst viele Kommentare sachlich reagieren“, rät Heinz Brückl. Bei extremer Unsachlichkeit Postings stoppen. Wenn ein Fehler gemacht worden ist, dann diesen eingestehen und im Sinne der Kundenkritik reagieren (Beispiel: McDonald’s stornierte Wurstsemmerl-Vergleich). Aussitzen gelingt meist nicht.