Europas Finanzmärkte reagieren gelassen auf das Nein der Italiener

06.Dezember 2016

Die wichtigsten europäischen Aktienmärkte waren zu Handelsbeginn deutlich im Plus, der Euro stabilisierte sich nach kurzem Kursverlust, und Gold, sonst ein Krisenprofiteur, büßte sogar an Wert ein.

Der wichtigste Grund für diese Gelassenheit: Das Nein der Italiener war erwartet worden. Anders als beim Brexit-Referendum und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hatten Umfragen die Gegner der Verfassungsänderung vorne gesehen. "Ein Nein war bereits eingepreist", wie es im Börsenjargon heißt.

Bedauern über Renzis Rücktritt

Die Finanzmarkt-Experten bedauern zwar unisono, dass Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi zurücktritt. Er habe sich zumindest bemüht, Reformen einzuleiten und das marode Bankensystem des Landes zu stabilisieren. Umgekehrt sehe es aber nicht danach aus, dass Italien aus der Eurozone ausscheiden werde. "Ich sehe überhaupt keine Anzeichen in diese Richtung", sagte gestern auch Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank.

In Italien gebe es Probleme einzelner Banken, nicht aber des ganzen Bankensystems. Das seien "aus meiner Sicht lösbare Probleme, die auch gelöst werden müssen", sagte Nowotny. Die Zinsen auf italienische Staatsanleihen seien zwar gestiegen, aber nicht in einem alarmierenden Ausmaß, so der Nationalbank-Gouverneur.

Die Investoren bauen auch wie schon so oft in der jüngeren Vergangenheit darauf, dass notfalls die Europäische Zentralbank (EZB) eingreifen würde. Übermorgen, Donnerstag, tagt turnusmäßig der Rat der EZB, um über die Leitzinsen und die laufenden Wertpapierkäufe zu befinden. "Präsident Mario Draghi ist dafür bekannt, dass er mit geldpolitischen Maßnahmen nicht zögert, wenn Gefahr für die Eurozone droht", sagte die Anleihemarkt-Expertin Viola Julien von der deutschen Helaba. "Klar ist schon jetzt, dass er an der lockeren Geldpolitik festhalten wird." Einige Analysten erinnerten an die Worte Draghis in der heißen Phase der Schuldenkrise im Jahr 2012, als er versprach, alles zu tun, um den Euro zu retten.

Auch der Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, sieht keine direkten wirtschaftlichen Auswirkungen. "Das ist ein demokratischer Prozess und ändert weder die wirtschaftliche Situation noch die Lage in den Banken." Die Probleme seien dieselben wie gestern, und sie müssten gelöst werden. Die politischen Auswirkungen müsse man abwarten, sagte Dijsselbloem.