"Ein Abgesang": Atomkraft verliert gegenüber erneuerbarer Energie

Von Dietmar Mascher   05.August 2015

Die Atomkraft verliert international zusehends an Wettbewerbsfähigkeit und mittelfristig auch an Bedeutung. Zu diesem Schluss kommt der World Nuclear Industry Status Report 2015. Dieser Report wird von den atomkraftkritischen Forschern Mycle Schneider und Antony Forgatt herausgegeben, bezieht sich aber auf geprüfte Daten aus der Branche.

30 Staaten weltweit produzieren noch Strom in 391 Atomkraftwerken. Gegenüber dem Jahr davor sind das drei mehr, die Kapazität stieg in diesem Zeitraum um fünf auf 337 Gigawatt. Allerdings waren 2002 noch 438 Reaktoren in Betrieb, 2010 lag die installierte Leistung noch bei 368 Gigawatt. Der Anteil an der weltweiten Stromproduktion fiel von 1996 bis 2014 von 17,6 auf 10,8 Prozent. Am meisten Atomstrom wird in den USA, in Frankreich, Russland, China und Südkorea produziert, geht aus dem Bericht hervor. Sie sind für zwei Drittel des Atomstroms weltweit verantwortlich.

Die Studienautoren bringen aber vor allem das Verhältnis zwischen Atomenergie und der Stromproduktion aus Sonne und Wind in Relation. Und hier sieht es für die Atomkraft nicht so gut aus.

Mehr für Sonne und Wind

Nach einem Rückgang in den Jahren 2012 und 2013 stiegen die Investitionen in erneuerbare Energien im Vorjahr um 17 Prozent auf 270 Milliarden Dollar und erreichten damit fast den Höchstwert von 2011 (278 Milliarden Dollar). Allein China hat neun Mal so viel Geld in erneuerbare Energie investiert als in Atomenergie. Und dabei zählen die Chinesen noch zu den AKW-Großinvestoren. Die weltweiten Investitionen in Solarenergie stiegen 2014 um 38 Prozent, jene in Windkraft um zehn Prozent, jene in Atomkraft dagegen nur um 2,2 Prozent. In China wird zwischenzeitlich mehr Strom aus Windkraft als aus Atomkraft gewonnen, in Großbritannien hat die Wasserkraft die Atomkraft abgehängt.

Besonders ausgeprägt ist die Diskrepanz in der EU. Zwischen 1997 und 2014 stieg die Stromproduktion aus Windkraft um 242 Terawattstunden, jene aus Sonnenenergie um 98 Terawattstunden, während die Atomstromproduktion um 47 Terawattstunden zurückging. "Wind- und Solarkraft machen manchen Nachteil gegenüber der Atomkraft leicht wett und gewinnen, weil sie in der Massenproduktion preislich wettbewerbsfähiger werden.

Zweifel an Hinkley Point

"Das ist ein Abgesang auf die Atomkraft", sagt Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober. Der Grün-Politiker fühlt sich dadurch auch in seinem Anti-AKW-Kurs bestätigt. Und er verweist auch auf Medienberichte aus Großbritannien, die darauf hindeuten, dass das von Österreich bekämpfte AKW Hinkley Point erst gar nicht gebaut wird, weil es sich nicht rechnet.

Der englische "Independent" berichtet von einer Studie der HSBC Bank, dass Hinkley Point finanziell sehr schwer darzustellen sei. Wie berichtet, garantiert die britische Regierung dem französischen Betreiber EdF Mindestabnahmepreise, die nach dem derzeitigen Stand weit über den Marktpreisen liegen und eine hohe Belastung für die britischen Steuerzahler darstellen würden. Laut Anschober sei diese Preisegarantie mit einer Indexklausel auf 35 Jahre ausgestattet, die die erwarteten Kosten auf 108 Milliarden Euro erhöhen würden.