Der "Gorilla" fuhr Lehman mit Vollgas gegen die Wand

Von Hermann Neumüller   12.September 2018

"Wenn Fuld nur ein bisschen vom Gas gegangen wäre, wenn er weniger Feinde gehabt hätte und bessere Verbindungen zur Politik – dann wäre Lehman Brothers heute noch da", wird Karl Dannenbaum, von 2001 bis 2007 Chef von Lehman Brothers Deutschland, in der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" zitiert.

Vom Gas gehen war nichts, was Richard "Dick" Fuld auch nur in Erwägung zog. Er war extrem ehrgeizig. Sein Ziel war es, mit Lehman die Nummer eins unter den Wall-Street-Investmentbanken zu werden, noch vor dem Erzrivalen Goldman Sachs.

Dafür war jedes Mittel recht. Auch Warnungen aus dem eigenen Haus schlug er in den Wind. Wer sich ihm entgegenstellte, musste mit einem seiner legendären Wutausbrüche rechnen. Das trug ihm den wenig schmeichelhaften Spitznamen "Gorilla der Wall Street" ein. So wurde er das grimmige Gesicht der Finanzkrise.

Bis zuletzt glaubte Fuld, Lehman Brothers sei "too big to fail", also zu groß, um fallengelassen zu werden. Aber am Sonntag, den 14. September 2008, informierte der damalige Chef der US-Notenbank Fed, Ben Bernanke, seinen Kollegen von der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, dass keine "Lösung" für Lehman gefunden worden sei und man am Montag die Insolvenz von Lehman bekannt geben werde.

An diesem Montag wurden dann die Mitarbeiter von Lehman Brothers mit den Worten informiert: "It’s over. Go home." (Es ist vorbei. Geht nach Hause.) Wenige Tage nach der Insolvenz waren nur noch 170 Mitarbeiter für Lehman Brothers tätig, 24.988 waren gekündigt worden.

Keine Konsequenzen

Fuld wurde zwar schon im Oktober zu einer Anhörung im US-Kongress vorgeladen. Es gab auch Ermittlungen der US-Behörden, nachdem der Vorwurf laut geworden war, Fuld und andere führende Mitarbeiter der Bank hätten die prekäre Lage der Bank vor dem Zusammenbruch verschleiert. Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft, der US-Bundespolizei FBI und der Börsenaufsicht SEC verliefen aber im Sande.

Fuld hatte in den Jahren vor der Krise mehr als 500 Millionen Dollar verdient. Teile des Privatvermögens übertrug er seiner Frau, um es vor dem Zugriff der Behörden zu bewahren. Nicht nur Fuld kam ungeschoren davon, bis heute musste sich keiner der führenden Banker vor Gericht verantworten.

Reue zeigte Fuld auch sieben Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht. Bei einem seiner raren Auftritte seit damals sagte er 2015: "Es war nicht nur eine Sache. Ich bezeichne es als den perfekten Sturm." Der von ihm zumindest mitentfachte Sturm fegte über die Weltwirtschaft. Die Folgen spüren wir noch immer.