Das Geschäft mit den Flüchtlingen: Teure Taxis und Preiskampf bei Zelten

Von Ulrike Rubasch und Josef Lehner   31.Oktober 2015

Medien berichten von extremem Wucher, dem die Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten auf der Balkan-Route ausgesetzt seien. In Österreich könne davon nicht gesprochen werden, sagen die Vertreter von Nichtregierungsorganisationen.

Viele Artikel seien wegen des Ansturms von mehr als 500.000 Flüchtlingen auf Zentraleuropa aber bereits knapp. Besteck und Einweggeschirr zählen ebenso dazu wie Bettwäsche, Decken und wichtige Hygieneartikel. "In ganz Europa ist die Nachfrage groß. Wir haben deshalb mit unseren österreichischen Lieferanten schon vor dem großen Ansturm langfristige Rahmenverträge abgeschlossen", sagt Wilhelm Brunner, dessen ORS Service die Asyleinrichtungen in Österreich betreut.

Auch die große Hilfsorganisation im Flüchtlingseinsatz, das Rote Kreuz, spürt die große Nachfrage nach Feldbetten, Zelten, Trinkwasseraufbereitung etc. Sie kauft aber über das internationale Netzwerk ein: "Wir gleichen mit zentralem Einkauf und unserer Lagerhaltung die Preisunterschiede aus."

Auch Heinrich Ebersteiner vom gleichnamigen Mühlviertler Zeltverleih spürt die verstärkte Nachfrage, relativiert aber: "Es herrscht ein Preiskampf, und der Billigste kriegt den Zuschlag." Für Flüchtlingszelte in Österreich hätten auch deutsche Firmen geboten.

Keine Zelte, sondern Dauerquartiere bietet die Firma GHS in Ried im Traunkreis, die sich 2011 vom Kunststoffkonzern Greiner abgespaltet hat. Sie baut vor allem in Südamerika Billighäuser aus Kunststoffwänden, gefüllt mit Beton. Harald Rath, der geschäftsführende Gesellschafter, hat nicht damit gerechnet, dass sein Produkt einmal in Österreich so stark nachgefragt würde. Eine erste Siedlung für 48 Asylwerber wird derzeit in Bad Leonfelden errichtet.

Ein Bewohner pro Container

Ein Haus koste halb so viel wie ein Container, sagt Rath. Container sind flexibler. Marktführer ist die Firma Containex, die zur Walter-Gruppe gehört. Sie liefert der Republik 700 Einheiten. Einfache Behälter kosten 6000 Euro, ein Dusch-Sanitär-Container 16.000.

Die Volkshilfe betreut in Oberösterreich 190 Personen in Containern. "Weil wir Gang-, Küchen- und Sanitär-Container brauchen, hat im Schnitt ein Behälter nur einen Bewohner", sagt Volkshilfesprecher Walter Deil. Insgesamt würden 3600 Asylwerber in 70 Quartieren versorgt. Die Republik zahlt 19,50 Euro pro Kopf und Tag; davon sind Gebäude und Betriebskosten zu finanzieren und 5,50 Euro pro Kopf für Verpflegung. Umsatz bringt die Flüchtlingswelle auch Sicherheitsfirmen und Transporteuren (siehe OÖN-Bericht vom 30. Oktober). Taxifahrer nehmen viel Risiko, von Bereicherung bis Schlepperei, so die Kammer. Wie stark die Ausgaben für Flüchtlinge die Wirtschaft beleben, ist umstritten. Ulrich Schuh von EcoAustria spricht von kurz- und mittelfristigen Wachstumsimpulsen. Die Ausgaben erhöhen die Schulden der Republik.

 

Unternehmen im Einsatz für Flüchtlinge

Keskin Gökhan, der Kammerobmann der Taxifahrer, warnt seine Mitglieder vor Wucher. Es gelte prinzipiell die freie Tarifvereinbarung, laut Höchstgericht sei aber „Bereicherung“ verboten. „Wien – Passau um 3000 Euro geht nicht. Spielfeld – Passau für 560 Euro, das geht“, sagt er. Linzer Taxler könnten nicht einfach nach Spielfeld fahren. Sie dürfen Fahrgäste nur in ihrem Rayon aufnehmen.

Der Zeltverleih Ebersteiner aus Langenstein (Bez. Perg) ist einer der Großen der Branche und hat Zelte für die Grenzübergänge Nickelsdorf und Spielfeld gestellt, ebenso diese Woche das neue, beheizbare Zelt für 1000 Menschen an der Inn-Grenze. Er habe „Kapazitäten für viele tausend weitere Flüchtlinge“, sagt Geschäftsführer Heinrich Ebersteiner. Die Nachfrage bewältige er mit 20 Stamm-Mitarbeitern.

Die ORS Service GmbH, Tochter der Schweizer ORS AG, ist von der Republik mit der Betreuung der Asylwerber betraut. Wegen des Zustroms sucht ORS rund 30 Mitarbeiter, vom Nachtportier bis zum Arzt. Geschäftsführer Wilhelm Brunner sagt, dass Betten und Bettwäsche, Decken und Hygieneartikel in Europa sehr stark nachgefragt seien. „Wir haben zur Absicherung langfristige Verträge mit Lieferanten.“

Harald Rath baut mit seiner Global Housing Solutions (GHS) GmbH in Ried im Traunkreis Maschinen und Anlagen zur Produktion von Wänden und Hausteilen aus Kunststoff. Sie werden großteils in Südamerika verkauft und dienen der Qualitätsverbesserung in Slums oder um Quartiernot nach Naturkatastrophen zu bewältigen. In Ried wird derzeit um rund fünf Millionen Euro eine Musteranlage gebaut.