"Beim Ausbau der Erneuerbaren war Deutschland etwas zu ehrgeizig"

Von Susanne Dickstein und Hermann Neumüller   06.Oktober 2017

Mit der Energieunion hat sich die EU ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Die Energiepolitik in der Union soll eine nachhaltige Struktur bekommen. Wie die aussehen soll und welche Auswirkungen sie auf die Bürger haben wird, darüber sprachen die OÖNachrichten mit dem früheren E-Control-Chef Walter Boltz und Lukas Wernert von der Generaldirektion Energie der EU-Kommission am Rande des Energietages der Wirtschaftskammer.

 

OÖN: Die Energieunion soll die nationalen Energiewelten auf eine gesamteuropäische Basis stellen. Welche Vorteile soll die bringen, und wie weit ist dieser Prozess schon gediehen?

Lukas Wernert: Die Energieunion ist eine der Top-Prioritäten der Kommission. Sie soll in erster Linie den Klimawandel bekämpfen, und es sollen die Möglichkeiten aus den Erneuerbaren Energieträgern genutzt werden. Aus unserer Sicht ist die Energieunion gut auf Schiene. Wir haben 90 Prozent der Vorschläge auf den Tisch gelegt.

Und worin bestehen die Vorteile für den Konsumenten?

Wernert: Wir erwarten uns von der Zusammenarbeit einen liquideren Markt, eine bessere Versorgungssicherheit und letztendlich auch, dass die Energie nachhaltiger produziert, transportiert und konsumiert werden kann.

Die Trennung der gemeinsamen Strompreiszone von Österreich und Deutschland ist wohl kein gutes Beispiel einer gemeinsamen EU-Energiepolitik.

Walter Boltz: Die deutsche Energiewende und der rasche Ausbau der Erneuerbaren in Norddeutschland wirft technische Probleme auf. Der Netzausbau geht halt langsamer als das Aufstellen von ein paar hundert Windrädern. Die Deutschen sind ehrgeizig und lassen sich vom Netzausbau nicht bremsen. Sie haben deshalb Probleme mit ihrem Netz bekommen. Um das Netz zu stabilisieren, floss auch Geld nach Österreich. Durch die Trennung fließt das Geld jetzt verstärkt zu deutschen Kraftwerken. Das ist in Deutschland halt populärer. Eigentlich müsste der Strommarkt in Deutschland geteilt werden, aber das ist politisch nicht durchsetzbar.

Ein wichtiges Ziel der Energieunion ist auch die Erhöhung der Energieeffizienz. Da ist in vielen Bereichen schon viel erreicht worden, nicht aber beim Verkehr. Wie geht die EU-Kommission damit um?

Wernert: Im Verkehr wird in der Tat sehr viel Energie verbraucht. Da ist auch einiges am Laufen. Die Kommission wird da auch Anfang November neue Vorschläge machen. Die Herausforderung ist erkannt worden. Boltz: Der Verkehr ist politisch ein sehr heikles Thema. Es ist halt so, dass die Zahl der Wähler, die mit dem Auto fahren, deutlich größer ist als jene, die Kraftwerke betreiben. So lange kein Konsens besteht, dass wir alle nur jeden zweiten Tag mit dem Auto fahren, wird sich die Politik sehr schwer tun. Beim Verkehr haben wir eine nur schwer zu knackende Nuss, weil hier praktisch jeder betroffen ist.

 

Zu den Personen

Lukas Wernert arbeitet für die Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission in Brüssel. Er studierte Handelswissenschaft an der WU Wien sowie Europäische Politik und Verwaltung am Europakolleg Brügge.

Walter Boltz war 15 Jahre lang (bis März 2016) Vorstand der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control . Er ist Mitglied des Beschwerdeausschusses der EU Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER).