167 Millionen Euro Bauernhilfe aus der Sozialversicherung: Ist das unfair?

Von Josef Lehner   16.Juli 2016

Viele Bauern haben 2014, 2015 und heuer massive Verluste erlitten, weil die Preise für Milch, Rind- und Schweinefleisch gefallen sind und auch für die meisten Pflanzenbauprodukte schlecht sind. Dazu hat es heuer schwere Frostschäden gegeben. Deshalb sollen die rund 125.000 Betriebe nun um 167 Millionen Euro Sozialversicherungsbeiträge entlastet werden. Ist diese politische Entscheidung richtig? Einige Fragen sind offen.

 

1. Wieso wird allen Bauern geholfen?

Diese Frage ist berechtigt. Die einzelnen Produktionssparten sind ganz unterschiedlich von der Preisentwicklung betroffen. Die Rinder- bzw. Milchbauern leiden am stärksten, und es zeichnet sich bei ihnen auch so bald keine Besserung ab. Der Preis für Schweinefleisch hat seit Mai um 30 Prozent angezogen. Der Schweinezyklus gleicht die Ergebnisse über die Jahre aus. Diesmal hat der Verlustzyklus unüblich lange gedauert. Weil eine Differenzierung schwierig wäre, fiel die politische Entscheidung, alle zu beteilen.

2. Wieso wird in den Topf der Sozialversicherung gegriffen?

Die Abwicklung ist einfach. Es geht nichts für Bürokratie verloren, weil für die Bauern einfach die Überweisung des Sozialversicherungsbeitrags für das vierte Quartal entfällt. Die Kasse muss auf Rücklagen zurückgreifen. Sauber wäre ein Zuschuss von Bund und/oder Ländern aus dem öffentlichen Haushalt; damit wären natürlich wieder 125.000 Überweisungen nötig. Außerdem hätte der Bauernbund diese Variante politisch nicht durchgebracht.

3. Ist das eine Stundung des Beitrags oder eine nicht rückzahlbare Hilfe?

Die Diskussion darüber ist peinlich. Der Bauernbund schreibt von einem "Rabatt", der Sozialminister von einer Stundung. Im Regierungsbeschluss steht, nach "Veränderung der Marktlage" sei die Rücklage der Sozialversicherung bis zum 1. 1. 2019 wieder aufzufüllen. Wem es aber jetzt finanziell so dreckig geht, wie soll der in zwei Jahren plötzlich einen doppelten Quartalsbeitrag leisten können? Bauernintern ist vereinbart: Die Sozialversicherung muss den Betrag mit Sparmaßnahmen/Effizienzsteigerung aufbringen.

4. Zahlen sich die Bauern die Hilfe über die Sozialversicherung also selbst?

Aufgrund des Jahrzehnte anhaltenden Bauernsterbens deckt der Bund 72 Prozent der Ausgaben der Sozialversicherung der Bauern (SVB). Das waren 2015 2,36 von 3,28 Milliarden Euro.

5. Ist die Hilfe unter den Bauern gerecht aufgeteilt?

Darüber lässt sich streiten. Der niedrigste Quartalsbeitrag in der SVB beträgt rund 425 Euro, der Höchstbeitrag 4500 Euro. Großbetriebe haben im Verhältnis auch höhere Einnahmeneinbußen erlitten als kleine. Wie in allen Sozialversicherungen gibt es eine Höchstbeitragsgrundlage. Innerhalb der Landwirtschaft gibt es natürlich Kritik, weil es in den vergangenen Jahren einige Maßnahmen gegeben hat, die Kleinbetriebe stärker belastet haben (etwa bei den EU-Förderungen).

6. Wieso gibt es solche Hilfen nicht auch für andere Branchen, die in einer Krise sind?

Alle anderen Selbständigen und alle Unselbständigen würden ohnehin weniger für die Sozialversicherung zahlen, falls sie einen Einkommenseinbruch hätten. Bei den Bauern berechnet sich der Beitrag vom Einheitswert, der konstant ist, ob die Geschäfte gut oder schlecht gehen.

7. Ist die Kritik der Arbeiterkammer gerechtfertigt?

Die Arbeiterkammer sagt, das Einkommensminus werde von den Bauern überzogen dargestellt, weil die Verluste von einem sehr hohen Niveau gerechnet würden. Die Bauern sagen, ein Minus von einem Drittel seit 2011 ließe sich keine Berufsgruppe zumuten. Das Landwirtschaftsministerium hat am Donnerstag vorzeitig eine Zahl aus dem Grünen Bericht veröffentlichte: 2015 habe ein Betrieb im Schnitt 19.478 Euro verdient, um 17 Prozent weniger als 2014.