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Das tibetische Volk leidet seit 60 Jahren

Von Eike-Clemens Kullmann, 09. März 2019, 00:04 Uhr
Das tibetische Volk leidet seit 60 Jahren
Der beeindruckende Potala war früher Sitz des Dalai Lamas in Lhasa. Heute sind hier chinesische Soldaten omnipräsent. Bild: Reuters

Selbst Touristen spüren es: Am 10. März jährt sich Tibets Aufstand gegen Chinas Unterdrückung zum 60. Mal. Reisen zum Dach der Welt sind derzeit verboten.

Mit einer ungewöhnlichen Einladung nahm das Drama seinen Anfang: Die chinesische Volksbefreiungsarmee bat den 14. Dalai Lama am 1. März 1959, eine Theateraufführung außerhalb der tibetischen Hauptstadt Lhasa im militärischen Hauptquartier mit seinem Besuch zu beehren. Zunächst verschob der damals 23-jährige Tenzin Gyatso die Einladung, schließlich wurde der 10. März vereinbart. Einem Teil der Tibeter schwante Böses, spätestens als chinesische Offiziere forderten, das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter möge seine Leibgarde zu Hause lassen und auf eine öffentliche Zeremonie für seine Prozession verzichten.

Wie ein Lauffeuer machten Gerüchte über eine mögliche Entführung des Dalai Lamas die Runde. 30.000 Tibeter bildeten daraufhin vor der Sommerresidenz, dem Norbulingka-Palast, einen menschlichen Schutzschild für ihren Yeshe Norbu (Kosename, bedeutet "kostbares Juwel"). Zur Theateraufführung ging der 23-Jährige nicht. Als der Palast am 17. März beschossen wurde, floh das geistige und politische Oberhaupt der Tibeter ins indische Exil nach Dharamsala.

Zwei Tage dauerten die Kämpfe, in denen die tibetische Armee keine Chance hatte. Chinas Volksbefreiungsarmee bombardierte die Hauptklöster in Lhasa, in denen viele Mönche unter Trümmern begraben wurden, entwaffnete die übrig gebliebenen Leibwächter des Dalai Lama und richtete sie öffentlich hin. Die fürchterliche Bilanz: 86.000 tote Tibeter, eine gewaltige Zahl bei lediglich zwei Millionen Einwohnern.

Das tibetische Volk leidet seit 60 Jahren
Auf Bildern präsent: der Dalai Lama Bild: Reuters

Einmarsch schon im Herbst 1950

Die tibetische Unabhängigkeitserklärung von 1913 hatte das Reich der Mitte schon Jahre zuvor als völkerrechtlich unwirksam betrachtet. Nach der Gründung der Volksrepublik 1949 war das Besitzdenken der Kommunistischen Partei erwacht. Im Herbst 1950 marschierte China im tibetischen Chamdo ein. Tibets Hilferuf an die UNO verhallte ungehört.

Nach einem 17-Punkte-Abkommen von 1951 sollte Tibet im Reich der Mitte aufgehen. Aus tibetischer Sicht ist das Abkommen ungültig, da es unter militärischem Druck zustande kam. Dabei schien China zunächst noch Zugeständnisse zu machen: Tibets regionale Autonomie und Religionsfreiheit sollten erhalten bleiben. Doch schon 1951 stationierte die Volksbefreiungsarmee in Lhasa fast ebenso viele Soldaten, wie Tibet Einwohner hatte. Bereits 1955 schlug die chinesische Armee erste Proteste nieder.

Die Folgen des Konflikts von 1959 sind bis heute zu spüren. 1965 rief China das Autonome Gebiet Tibet aus, das jedoch als chinesische Provinz behandelt wird. Während der Kulturrevolution (1960er und 1970er Jahre) zerstörten die roten Garden nahezu alle Klöster und Kulturdenkmäler. Immer wieder kommt es zu Selbstverbrennungen und Unruhen, gerade wenn sich der Tibet-Aufstand jährt. Beides ist auch heuer zu befürchten.

Idol und Friedensnobelpreisträger

Seine Heimat hat Tenzin Gyatso nicht wieder gesehen. In Dharamsala errichteten Zigtausend Tibeter eine Art Klein-Lhasa mit Tempeln und Klöstern, Schulen und Gesundheitszentren. Dort residiert auch der Dalai Lama. Wenn er denn "zuhause" ist. Unermüdlich reist er durch die Welt, um für ein "freies Tibet" zu werben. Gegenüber China plädiert er für den dritten Weg. So strebt er nicht die Unabhängigkeit an, weil er dieses Ziel nicht für realistisch hält, dringt aber auf Autonomie Tibets innerhalb Chinas. Gewalt lehnt er rigoros ab. Doch Peking stellt sich quer, beschimpft ihn als "Wolf im Schafspelz".

Als würde man Bambi erschießen

Der Westen dagegen ist fasziniert vom bescheidenen Mönch. Seine Weisheit, Güte und sein kompromissloses Werben für Gewaltlosigkeit machten ihn zum Idol, 1989 erhielt er den Friedensnobelpreis. Teilweise wird er derart idealisiert, dass sich etwa der südafrikanische Politiker Trevor Manuel mokierte, "etwas gegen ihn zu sagen, ist für einige Kreise so, als würde man versuchen, Bambi zu erschießen."

2011 verordnete der Dalai Lama seinem Volk eine demokratische Revolution von oben und trat als politisches Oberhaupt zurück. Ob er wiedergeboren wird, lässt der 83-Jährige offen. Nach tibetischer Tradition wird der Dalai Lama als Reinkarnation seiner Vorgänger angesehen. Der Buddhismus versteht ihn als erleuchtetes Wesen, das den Kreislauf der Wiedergeburt durchbrochen hat, aber aus Mitgefühl zu den Menschen weitere Leben freiwillig auf sich nimmt.

Gefahr "dummer Dalai Lama"

Bei seinem Tod hinterließ der jeweilige Dalai Lama in der Vergangenheit meistens einen Brief. Darin gab er den Gläubigen Tipps, wie sie ihn in seinem neuen Körper erkennen können. Zum Beispiel gab er Hinweise auf die Gegend, auf die Zeit oder auf die Familie, in der seine Wiedergeburt zu erwarten sei.

Die chinesische Regierung hat vergeblich versucht, den Einfluss des Dalai Lamas in Tibet auszumerzen. Nun will sie offenbar mit Hilfe kooperationswilliger tibetischer Mönche einen ihr genehmen Dalai Lama einsetzen. Der Dalai Lama spricht von der Gefahr eines "dummen Dalai Lamas".

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