Saudi-Arabien: Scheidung per SMS
RIAD. Mit neuen Richtlinien beenden Behörden lange Praxis der "geheimen Trennung".
In Saudi-Arabien war es über Jahrzehnte üblich, dass Männer die Scheidung einreichen konnten, ohne dass ihre Frauen von diesem Schritt anschließend von der Justiz unterrichtet wurden. Die "geheime Trennung" habe es den Ehemännern ermöglicht, ihre ahnungslosen Frauen zu betrügen und unter Verwendung zuvor erteilter Vollmachten ihr Eigentum zu beschlagnahmen, erklärt die in Riad lebende Rechtsanwältin Somayya al-Hindi. Auch in Erbschaftsfragen hätten sich die Männer durch die "geheime Trennung" erhebliche Vorteile verschaffen können.
Doch damit sei "jetzt Schluss", sagte Anwältin Nasreen al-Ghamdi der saudischen Tageszeitung "Okas". Die Regelung, wonach die Justizbehörden jetzt verpflichtet sind, die Frauen unverzüglich per SMS über das Scheidungsbegehren des Mannes zu unterrichten, werde "alle bisher vorhandenen Schlupflöcher" schließen. Die Maßnahme garantiere zudem, dass Frauen nach der Scheidung auch Unterhaltszahlungen erhalten.
Mit der Neuregelung der Scheidungsformalitäten ist die in Saudi-Arabien geltende Praxis der männlichen Vormundschaft aber noch längst nicht abgeschafft. Zwar können inzwischen auch Frauen die Scheidung einreichen, etwa bei Unfruchtbarkeit des Ehemannes. Während des Scheidungsprozesses bleibt der Mann aber weiterhin der Vormund seiner scheidungswilligen Gattin. Der männliche Vormund in Saudi-Arabien kann zudem bestimmen, ob seine Frau oder Tochter ein Stipendium bekommt, oder verhindern, dass seine Frau aus dem Gefängnis entlassen wird (wenn er sie nicht persönlich abholt).
Auch Auslandsreisen können saudische Frauen nur mit Einwilligung ihres Vaters oder Gatten antreten. Dieser muss auch seine Zustimmung geben, wenn seine Frau einen Reisepass beantragt oder ein Bankkonto eröffnen möchte.
Verhaftungswelle nach Reform
Im Juni letzten Jahres hatte Saudi-Arabien Frauen offiziell das Autofahren gestattet. Das als "grundlegende Reform" gefeierte Dekret von König Salman war allerdings von einer Verhaftungswelle überschattet. Viele der Aktivistinnen, die sich über Jahre für das Ende des Frauenfahrverbotes eingesetzt hatten, saßen im Gefängnis, als sich die Frauen erstmals ohne Angst vor Repressalien ans Steuer setzen konnten.