Moskaus Gedächtnis-Show im Stechschritt
Parade soll Russlands Anteil am Sieg über den Hitlerfaschismus unterstreichen – aber auch schlichtweg einschüchtern.
Es ist die zentrale Zeremonie des Jahres. Heute veranstaltet Russland die Parade zum 70. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland. Es wird eine Rekordparade. 16.500 Soldaten, 194 Kampffahrzeuge, 143 Hubschrauber und Flugzeuge. Gedächtnismonumentalshow im Stechschritt. Erstmals fahren neueste Armata-Panzer auf, die russische Presse jubelt, sie seien allen westlichen Modellen überlegen.
Dazu neue Raketensysteme und das schwere Selbstfahrgeschütz Koalizija-SW, das Artillerie, Panzer, aber auch Festungen des Feindes vernichten soll. Übrigens rollen auch BUK-M2-Luftabwehrraketen, ein Geschoß dieses Typs soll die malaysische Boeing über dem Donbass abgeschossen haben.
Es verwundert nicht, dass Polens Präsident Bronislaw Komorowski von einer "Demonstration militärischer Stärke" spricht, bei der es "nicht um die Geschichte, sondern um Gegenwart und Zukunft geht."
Was Staatsgäste angeht, droht ein Minusrekord. Nahmen 2005 noch 57 Staatsführer an der Parade teil, so kommen diesmal von 68 Eingeladenen kaum 25. Wenn nicht isoliert, so ist Russland doch halb isoliert. Dabei will sich Moskau gerade jetzt als Welthauptstadt des Antifaschismus präsentieren.
So wie die Staatsmedien die ukrainische Regierung als neonazistische Junta verkaufen, so beanspruchen sie einen moralischen Persilschein für die eigene Politik. Ob es um die "präventive" Militärintervention auf der Krim oder um Repressalien gegen die liberale Opposition geht, der etwa der kremlnahe Filmregisseur Nikita Michalkow im staatlichen Fernsehkanal Rossija 24 vorwirft, sie betrachte das russische Volk sehr rassistisch als "Untermenschen".
Dass unter anderem François Hollande und Angela Merkel die Parade meiden, bezeichnet Kulturminister Wladimir Medinski als "sehr erstaunliche" und "unüberlegte" Geste fehlender Kompromissbereitschaft. Russland beharrt darauf: Europa und die Welt sind uns ewig zu Dank und Nachgiebigkeit verpflichtet, weil wir sie mit einem heroischen Alleingang vor dem Hitlerfaschismus gerettet haben.
Dabei unterschlägt es den Hitler-Stalin-Pakt, die Tatsache, dass die Sowjetunion und Nazideutschland in den ersten beiden Kriegsjahren in Osteuropa gemeinsame Sache machten. Und nach dem Überfall der Wehrmacht verteidigten Stalin und sein Staat keineswegs Europa, sondern das eigene Überleben.
Merkel gedenkt am Tag danach
Aber drei Jahre lang war die "Ostfront" Hauptkriegsschauplatz. 27 Millionen Sowjetbürger bezahlten mit ihrem Leben dafür, dass die deutsche Kriegsmaschinerie dort zerbrach. Gerade Deutschland hat weiter allen Grund, sich an die russischen Opfer des Vernichtungskrieges zu erinnern. Und es ist nur historische Pflichtschuldigkeit, dass Kanzlerin Merkel am Tag nach der Parade nach Moskau fliegt, um dieser Opfer vor dem ewigen Feuer am Kreml zu gedenken.
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