Krieg abseits großer Öffentlichkeit: Bereits 50.000 Tote in Mexiko

20.Oktober 2011

Bis in die 1980er Jahre hatten Mexiko und Mittelamerika den kolumbianischen Kartellen aus Cali und Medellín lediglich als Landbrücke gedient. Als Washington den kolumbianischen Kartellen den Krieg erklärte und sie entscheidend schwächte, schlug die Stunde der Mexikaner. Sie begannen das gesamte Drogengeschäft – vom Anbau bis zum Transport in die USA – selbst in die Hand zu nehmen. Das Zentrum wurde der Bundesstaat Sinaloa. Von hier stammen die Bosse der Kartelle. Viele sind zwar inzwischen tot oder hinter Gittern, doch ihre Kartelle sind mächtiger denn je.

Als Begründer des blühenden mexikanischen Drogenhandels gilt ein ehemaliger Polizist und Gouverneursleibwächter – Miguel Angel Felix Gallardo, alias „El Padrino“. „El Padrino“ baute sein eigenes Imperium auf, indem er damit begann, das in Sinaloa angebaute Marihuana und Heroin zusammen mit dem kolumbianischen Kokain in die USA zu transportieren. Später kam das Geschäft mit synthetischen Drogen hinzu. Die aus Asien gelieferten Grundsubstanzen wurden über die Pazifikhäfen in die mexikanischen Drogenlabors geliefert – und werden dies bis heute noch.

Möglich wurde der Boom des Drogengeschäftes von Anfang an durch eine enge Verbindung zu den Staatsorganen auf allen Ebenen. Korruption, deren Ausmaß auch heute noch weltweit ihresgleichen sucht, habe zur Duldung des Suchtgifthandels, zu einer „Symbiose aus Verbrechen und Politik“ geführt – jedenfalls in den Drogenhochburgen, wie der Autor Malcolm Beith in einem Buch über den Drogenboss Joaquin „El Chapo“ Guzmán schreibt.

Bei seinem Amtsantritt 2006 sagte der mexikanische Präsident Felipe Calderón den mächtigen Drogenbanden des Landes den Kampf an. Seither explodiert die Zahl der Todesopfer regelrecht. Zwar kann das Militär immer wieder Erfolge vermelden wie etwa im heurigen August die Festnahme von Óscar García Montoya, dem Chef einer Bande, die für mehr als 900 Morde verantwortlich sein soll. Doch die Drogenkartelle antworten darauf meist mit noch grauenvollerer Gewalt. So gab es ebenfalls im August einen Überfall auf ein Spielcasino in der Stadt Monterrey. Dabei stürmten mehrere Attentäter das Gebäude und steckten es in Brand. Mehr als 50 Menschen starben. Vor einem Jahr ließen die Drogenbosse einen Bürgermeister steinigen, der 60 korrupte Polizisten entließ. Als Vergeltung für die Sicherstellung von 134 Tonnen Marihuana mussten wahllos 13 Menschen in einer Entzugsklinik sterben. Aus Angst vor der Gewalt der Kartelle sind in Mexiko nach Statistiken für die Vereinten Nationen mittlerweile 120.000 Menschen auf der Flucht.

30.000 Soldaten im Einsatz

Ob der Kampf gegen die Drogenkartelle zu gewinnen ist, beurteilen Experten skeptisch. „Mexiko wehrt sich seit 2006 mit einer Militäroffensive. Da sind mehr als 30.000 Soldaten im Einsatz. Die USA unterstützen diesen Kampf sowohl mit Geld als auch mit Waffen. (US-Außenministerin) Hillary Clinton hat bereits von einer Mitschuld gesprochen, weil es in den USA so einen großen Hunger nach Drogen gibt und das die Kriminalität in Mexiko fördert. Aber selbst ohne den US-Konsum würde sich das Problem nicht lösen. Das Geschäft expandiert dann eben über Afrika. Rein militärisch ist dieser Krieg leider nicht zu gewinnen“, sagt Friedemann Schirrmeister, Politikwissenschafter am Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung.

 

Drogenkartelle

• Große Kartelle bestimmen das mexikanische Drogengeschäft: „Sinaloa“, „Golf“, „Juarez“, „Tijuana“, La Familia Michoacana“ und „Los Zetas“. „Sinaloa“ kontrolliert fast die Hälfte des Drogenschmuggels und bezahlt dafür allein 150.000 Menschen.

• „Los Zetas“ gilt als die brutalste Drogenmiliz Mexikos. Sie finanziert sich vor allem durch Erpressung und Entführung.

• Mexikanische Drogenkartelle operieren nach Experten-Einschätzung in 47 Ländern der Welt. Dabei soll es um Summen von 25 Milliarden US-Dollar (18,7 Milliarden Euro) im Jahr gehen.