Eklat bei Sarrazin-Auftritt

Von J. Fischer, London   16.Februar 2011

Solche schrillen Töne sind selten in der britischen Hauptstadt: Die Autoren Thilo Sarrazin und Henryk M. Broder haben Montagabend an der Universität „London School of Economics“ für einen Eklat gesorgt.

Dass im Hörsaal an diesem Abend kein Proseminar stattfinden würde, war abzusehen. Sarrazin und Broder sollten hier zur Zukunft Deutschlands und Europas sprechen – ein provokantes Duo, für das Kulturkritiker Hellmuth Karasek und Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrates in Deutschland, kaum ein rhetorisches Gegengewicht sein würden. Vor dem Hörsaalgebäude protestierten einige Dutzend Demonstranten, was die Leitung der Universität zu einen ungewöhnlichen Schritt bewog: Sie zitierte „Sicherheitsgründe“ und verbannte die Runde vom Campus. Redner, Publikum und Demonstranten zogen ins benachbarte Nobelhotel „Waldorf Hilton“. Broders Fassung zeigte da erste Risse: Einen Demonstranten bezeichnete er bei einer Rangelei als „Doppel-Arschloch“, im Gegenzug beschimpfte ein Student die Diskutanten auf der Bühne als „Faschisten“. Als eine Studentin aufstand, um zu kritisieren, dass nur „alte, weiße Männer“ ohne Lösungen auf dem Podium säßen, meinte Sarrazin: „Erst wenn wir uns auf eine Analyse geeinigt haben, reden wir über Lösungen.“ Einer Studentin mit Migrationshintergrund, die schilderte, auf der Straße in Deutschland bespuckt worden zu sein, sagte Broder, sie möge aufhören, sich zu beklagen.

Sarrazin hielt sich überraschend zurück – vielleicht, weil der Radau auch für ihn zu viel war. Ein mit seiner Vernunft verloren wirkender Kizilkaya merkte an, dass ein Land Minderheiten auch willkommen heißen müsse, um die Integration zu verbessern. Doch im Schlussgetöse ging das Argument unter – Broder setzte sein Wortgefecht mit Protestlern fort. Wie die Briten als Verfechter der freien Meinungsäußerung den Abend bewerten, bleibt abzuwarten.