"Wir sind manipulierbarer geworden"
STEYR. Harald Kindermann von der FH in Steyr untersuchte, wie sich das Medienverhalten auf die Persönlichkeit auswirkt.
Die einen spielen damit, die anderen recherchieren, die nächsten rufen Mails ab: Das Smartphone hat unseren Alltag erobert und die Medienwelt verändert.
Wie sich nun die Nutzung diverser Medien auf Persönlichkeitsmerkmale auswirkt, hat Harald Kindermann in seiner aktuellen Studie untersucht. Dafür befragte der am Fachhochschul-Campus in Steyr tätige Marketing-Professor 1030 Teilnehmer. Er beschäftigt sich in seiner Studie auch damit, wie das Konsumentenverhalten von Medien beeinflusst wird. Immer schwieriger werde es, jüngere Zielgruppen über klassische Medien wie Fernsehen zu erreichen, sagt Kindermann: "Jeder Vierte zwischen 16 und 29 Jahren hört vermehrt auf die Meinung von sogenannten Influencern." Das sind Meinungsbildner, die Youtube- und Instagram-Kanäle betreiben.
Influencer: Einzelmeinung zählt
"Das Erschütternde dabei ist, dass sich viele Menschen nach der Einzelmeinung einer Person richten und diese dann als relevant ansehen", sagt der Professor. In Zukunft werde es schwierig, Werbemedien zu finden, denn traditionelle Fernsehprogramm-Anbieter geraten durch Streaming-Dienste unter Druck. Doch nicht nur der Werbemarkt sei von der Mediennutzung betroffen.
Kindermann hat in seiner Studie auch Auswirkungen auf das soziale Verhalten von Menschen festgestellt: "Durch den Zugang zu neuen Medien wird eine selektivere Informationswahrnehmung offensichtlich. Dazu werden jüngere Menschen egoistischer, narzisstischer und unmoralischer." Demnach gibt jeder Vierte der unter 30-Jährigen an, seine eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen, auch wenn jemand Nachteile hat. Bei den über 50-Jährigen sind es nur 13 Prozent. Ein weiteres Viertel der jungen Erwachsenen bestätigt, dass Täuschung moralisch in Ordnung sei. Bei den älteren Befragten ist es nur jeder Zehnte.
Gefühl der Einsamkeit steigt
Ein weiteres Ergebnis der Studie: "Man sucht immer wieder die Bestätigung seiner eigenen Meinung durch sogenannte Likes", sagt der FH-Professor. Das führe dazu, dass sich Personen mehr im Mittelpunkt sehen, als sie es in Wirklichkeit sind. "Man will Bestätigung. Dazu wird erwartet, dass andere Leute einem diesen Gefallen tun." Früher sei es eine Überraschung gewesen, wenn jemand einem anderen einen Gefallen tat.
Eine weitere Konsequenz aus der vermehrten Mediennutzung ist, dass sich immer mehr Jugendliche einsam fühlen. Fast die Hälfte der jüngeren Menschen gab in der Studie an, sich zeitweise einsam zu fühlen. "Das entsteht dadurch, dass Jugendliche über Social-Media-Kanäle sehen, was andere unternehmen und wo sie überall nicht eingeladen sind." Das erzeuge Druck bei Jugendlichen, speziell wenn sie nicht so oft gelikt werden wie ihre Bekannten: "Sie fühlen sich dadurch mehr gestresst."
Gesellschaftliches Problem
In seiner Studie stellte Kindermann auch fest, dass sich die Recherche von Fachinformationen immer mehr ins Internet verlagert. Drei Viertel der unter 30-Jährigen recherchieren bei Google, bei den über 50-Jährigen sind es immerhin 57 Prozent. "Die Menschen setzen sich immer weniger mit komplexer Information auseinander", sagt Kindermann.
Darin sieht er ein zentrales Problem unserer Gesellschaft: "Die Menschen brauchen einfache Botschaften, weil sie die komplexen nicht verstehen. Diese einfachen Botschaften werden als wahr betrachtet, weil viele nicht die Möglichkeit haben, zu differenzieren. Dadurch sind wir manipulierbarer geworden."
Wir lassen uns manipulieren eines nur geht. Man hinterfragt weniger. Wenn man hinterfragt und seine eigene Meinung äußert, bekommt man ordentlich Gegenwind. Man hat zudem keine Zeit für Diskussionen und wenn dann verläuft diese im sand. Nicht immer alles für bare Münze halten was einem vorgesetzt wird. Wir müssen wieder neugieriger werden und die eigene Meinung über dem kollektiv stellen.