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"Die Grundidee des Internets ist Anarchie"

28. November 2015, 00:05 Uhr
Die unendlichen Weiten des World Wide Web Bild: colourbox.com

Interview zum Serienstart: Informatik-Professor Gustav Pomberger über Licht und Schatten des Internetzeitalters.

Gustav Pomberger ist Mann der ersten Stunde, wenn es um das Internet geht. 1980 hat der heutige Informatik-Professor der Johannes Kepler Universität seine ersten E-Mails verschickt. Nichts habe die Gesellschaft so radikal verändert wie diese neue Technologie, sagt er. Eine Technologie, die viel Licht gebracht hat – aber auch viel Schatten.

  1. OÖNachrichten: Wir feiern heuer 20 Jahre nachrichten.at – seit wann sind Sie „online“?

    Pomberger: Seit meiner Zeit an der ETH Zürich im Jahr 1980. Wir waren damals sehr früh dran, hatten ein Uni-internes Netz und haben schon E-Mails und Dokumente verschickt. Als ich 1984 nach Linz kam, hatte ich das Gefühl, in der Wüste zu sein. Das Internet war zwar schon Thema an der JKU, aber die Infrastruktur war noch nicht so weit.
  2. Hatten Sie damals eine Ahnung, welche Dimensionen das Internet annehmen wird, dass es unser Leben dauerhaft verändert?

    Wir hätten nicht im Traum daran gedacht, dass es praktisch in jedem Haushalt möglich sein wird, E-Mails zu empfangen und Dokumente auszutauschen. Damals kamen die ersten Faxgeräte in die Haushalte – da war ein Fax schon eine Sensation. Aber wir waren überzeugt, dass sich das Internet nicht aufhalten lassen wird.
  3. In welchen Bereichen hat das Internet aus Ihrer Sicht unser Leben am stärksten verbessert?

    Hauptsächlich bei zwei Dingen: Der Wissenszugang ist ein unglaublicher Segen. In Sekundenschnelle finde ich dank Suchmaschinen und Online-Archiven Informationen. Die Suchalgorithmen haben riesige Fortschritte gemacht. Und zweitens, die Alltagsinformationen, die uns das Leben erleichtern und uns gar nicht mehr bewusst sind. Ich schaue mir das Tennis-Finale der US Open im Fernsehen an und denke gar nicht daran, welche Ingenieurleistung dahintersteckt. Die Vorteile des Internets überwiegen, sonst hätte es sich nicht so weiterentwickelt. Ein schlecht funktionierender Texteditor ist immer noch besser als kein Texteditor.
  4. Sie haben in einem OÖN-Interview im Jahr 2000 davon gesprochen, dass Sie eine E-Mail-Flut von 187 Mails pro Tag haben. Wie geht es Ihnen damit heute?

    Heute habe ich um 11.15 Uhr schon 144 E-Mails erhalten – und da hat meine Sekretärin schon die unrelevanten herausgelöscht. Ich muss ehrlich sagen, die Mails bringen mich fast um meine Lebensqualität. Ich weiß nicht, wie ich das managen soll. Es ist immer noch eine Plage.
  5. Eine Plage, die noch viel weiter reicht als das E-Mail-Postfach. Man denke an die vielen Informationen, mit denen man permanent überschüttet wird.

    Ich bin wirklich besorgt wegen dieser Reizüberflutung, vor allem, was unsere Kinder betrifft. Was heute noch sehr unterschätzt wird, ist die Gleichzeitigkeit. Wir lesen E-Mails, surfen parallel dazu im Web, daneben läuft ein Online-TV-Sender, und am Handy kommen auch Nachrichten herein. Wir tun es, weil es verfügbar ist. Das kann massive Auswirkungen auf unsere psychische und wahrscheinlich auch physische Gesundheit haben. So gesehen bringt uns das Internet nicht nur Lebenszeit, es kostet uns auch Lebenszeit.
  6. Kritische Worte, und das aus dem Munde eines Informatikers.

    Ich beschäftige mich einfach mit dem Thema. Aber wahrscheinlich gar nicht einmal stärker als jeder andere. Schließlich kann sich heute jeder die Infrastruktur, die für den Zugang zum Internet notwendig ist, leisten. Richtig entziehen kann man sich dem Ganzen längst nicht mehr. Da müsste man schon richtiggehend aussteigen.
  7. Wie schafft man es, davon nicht überfordert zu werden?

    Es bräuchte eine neue Kulturtechnik, wie man Wesentliches von Unwesentlichem unterscheidet, Signifikantes von Nicht-Signifikantem. Eine große Gefahr ist dabei die Trägheit unseres Bildungssystems, da diese Kulturtechnik nicht gelehrt wird. So ist Informationsgewinn oft ein Bumerang, weil die Info nur Schrott ist.
  8. Zum Teil auch gefährlicher Schrott.

    Natürlich. Über das Internet werden auch Ideologien verbreitet und Menschen manipuliert. Wo es Technologie gibt, wie im Übrigen auch Medikamente oder Ähnliches, wird es Missbrauch geben.
  9. Braucht das Netz eine Regulierung?

    Dieses Thema wird uns noch stark beschäftigen. Aber die Grundidee des Internets ist Anarchie. Wer macht denn die Regeln? Derjenige, der die Regeln vorgibt, ist am Ende ja auch derjenige, der der Manipulator ist.
  10. Vor 20 Jahren haben Sie noch gesagt, Österreich hinke hinterher in der Bereitschaft, neue Technologien zu nutzen. Wie ist das heute?

    Wir haben bei der Akzeptanz von Informations- und Kommunikationstechnologien enorm aufgeholt. Das ist jetzt eine subjektive Wahrnehmung, aber ich habe den Eindruck, dass die Handy-Dichte und die Nutzung der Smartphones bei uns höher ist als in New York.
  11. Es heißt, Daten sind das neue Öl. Haben wir dabei das Match nicht schon längst an die großen amerikanischen Firmen Google, Facebook und Amazon verloren?

    Ja, wir haben uns längst verkauft. Das beobachte ich seit 20 Jahren. Wenn es einmal so ein geografisches Monopol gibt, kann man fast nichts mehr daran ändern. Dabei hätten wir Europäer die gleichen Chancen gehabt. Wenn es um die wissenschaftlichen Grundlagen geht, waren wir immer schon an vorderster Front dabei. Bei der kommerziellen Ausschlachtung waren aber die Amerikaner besser.
  12. Ist dies das Ende der Privatsphäre?

    Wer ein Smartphone und einen ans Internet angeschlossenen Computer nutzt und glaubt, er hätte noch Privatheit, ist ein Illusionist. Wenn ich jetzt mein iPhone nutze, mache ich so gesehen eine permanente Schweinerei: Wenn ich ein Handy verwende, bei dem ich die Batterie nicht mehr entfernen kann, und Apps habe, die sich nicht wirklich deaktivieren lassen, dann muss mir bewusst sein, dass ich jeglicher Privatheit beraubt wurde.
  13. Machen Sie sich da keine Sorgen?

    Nein, nicht mehr. Ich war früher sehr skeptisch, hatte lange kein Handy. Aber ich habe den Gedanken an Privatheit aufgegeben. Ich mache mir keine Sorgen mehr über Dinge, die ich nicht beeinflussen kann.
Gustav Pomberger   Bild: privat
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7  Kommentare
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reibungslos (14.481 Kommentare)
am 28.11.2015 10:58

Die schlimmsten Folgen werden sich erst in 20 Jahren zeigen. In den USA starren Jugendliche im Durchschnitt 9 Stunden pro Tag (die Zeit in den eigenen 4 Wänden nicht mitgerechnet) auf einen Bildschirm. Man lässt ich berieseln bzw. ist nur mehr mit der Selektion der auf einen hereinströmenden Inhalte beschäftigt. Für eine Reflexion und Aufarbeitung bliebt keine Zeit. Die Entwicklung sozialer Kompetenz und von Kreativität findet kaum noch statt. Was daraus wird: Einsame, passive Egozentriker, mit sich wunderbar fernsteuern lassen. Aber macht nicht. Da diese Leute auch keine Kinder bekommen (wollen, können), werden die Internet-Verblödeten sukzessive aussterben.

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am 28.11.2015 11:03

Nichts gegen deine Prognose,
aber

Immer öfter will ich in einem Bich oder in einer Zeitung auf einen Link klicken.

Bedenklich…

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Gugelbua (31.930 Kommentare)
am 28.11.2015 10:52

Von Anarchie würde ich nicht sprechen.
Wie bei allem, es kommt immer darauf an was der Mensch daraus macht.
Und da der Mensch nicht nur gut und edel ist gibts eben die negativen Aspekte.

Einst und auch heute noch haben Herrscher dem Volk unter Androhung des Todes verboten lesen und schreiben zu lernen, nun haben sie Angst daß sich die Menschen ihrer Macht wiedersetzen, durch Bildung, Aufklärung.
Doch keine Sorge, es werden Milliarden in Mechanismen gesteckt um die Welt dumm zu halten grinsen

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am 28.11.2015 11:04

Am Anfang, hat da Gustav gsågt, Bua.

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capsaicin (3.848 Kommentare)
am 28.11.2015 08:32

privatheit...

wenn so mancher nachbar (m/w) in der dämmerung, mehr oder weniger bewusst, die vorhänge nicht zuzieht, und damit das tägliche schauspiel des ausziehens/anziehns und diverser andere dinge der lebensführung preis gibt, dann ists mit smartphone & co nicht gar so schlimm.

conclusio: viele sind sogar mit erhaltenen SPAMS zufrieden --> es nimmt wenigstens , vermeintlich, jmd notiz von ihnen...

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Einheizer (5.398 Kommentare)
am 28.11.2015 06:34

"Jegliche Privatheit ist duch Smartphone und Laptop verloren", sagt Prof. Pomberger.
Das macht nichts, dafür bauen sich die Leutchen immer höhere Thujenzäune um ihre Gärten damit der ach so böse Nachbar nicht sehen kann ob auf der Terrasse Bier oder Wein getrunken wird,, ob Wurst oder Käse zu Abend gegessen wird. Es wäre auch ganz schlimm wenn der nachbar sieht wer zu Besuch ist. Aber im Internet (z. B. Facebook ) darf die ganze Welt erfahren ob der Morgenstuhl hart oder weich war. Die Zaunitis greift um sich, die Zäune im Kopf werden auch immer höher - man könnte auch sagen die Verblödung ist nicht aufzuhalten.

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MajaSirdi (4.833 Kommentare)
am 28.11.2015 09:17

@einheizer
Alle regen sich auf: der Gläserne Mensch!
Aber im Facebook wird gestrippt und alles sogar in Bildern gezeigt was das Zeugs hergibt...Kameras in der Wohnung verteilt um alles unter Beobachtung gestellt..."wie geil is den dass...???"

Eines muss ich sagen, in unserer Siedlung darf der Nachbar zuschauen wenn wir auf der Hausbänk sitzen und es ist sogar gewünscht dazu zu setzen und auch die Hecken sind niedrig - ein guter Nachbar ist der beste Einbruchsschutz!

Wir schauen auf uns gegenseitig und haben kein Problem untereinander, bei uns sind die Türen offen und das heißt: bitte reinkommen mit Glück & Frieden und das seit Generationen...wir haben es so von unseren Vorfahren so gelernt und auch weiter gegeben.
Heute gibt es nur mehr Neid & Missgunst! - Liegt einer auf der Straße steigt man drüber...dass alles hat der Wohlstand erzeugt, die Menschen kennen keine Durststrecke um wieder auf den Boden zu kommen...

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