Seine Entdeckergemeinschaft nahm Abschied von Nikolaus Harnoncourt

Von nachrichten.at/apa   16.April 2016

Im Wiener Musikverein, seiner zweiten Heimat, wurde in einer bewegenden Gedenkstunde von der Familie und Wegbegleitern des am 5. März verstorbenen Ausnahmedirigenten gedacht - eines Künstlers, dessen Wirken fortwähre, waren sich die Trauerredner, darunter Kardinal Christoph Schönborn, sicher.

Musikvereinsintendant Thomas Angyan verabschiedete sich in großer Trauer vom Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde: "Schwer ist es, in diesem Moment herauszutreten auf das Podium, das doch sein Platz gewesen wäre." Harnoncourt, der das erste Mal 1962 am Haus gespielt hatte, habe einmal selbst gemeint, er gehöre im Musikverein eigentlich schon zum Hausrat. Er sei "der denkbar geistvollste Herz- und Seelenöffner für die Musik" gewesen. Mit seinen Worten und seiner Herangehensweise an den Kosmos der Musik, habe er das Publikum stets auf eine Reise in unbekannte Welten mitgenommen: "Wir sind eine glückliche Entdeckergemeinschaft geworden."

Andreas Großbauer, Vorstand der Wiener Philharmoniker, untermauerte den großen und bleibenden Einfluss des Dirigenten auf das Orchester: "Da klingt etwas weiter." Sein Ansatz, scheinbaren Gewissheiten zu misstrauen und das Gewohnte zu hinterfragen, habe ganze Generationen an Musikern und Musikliebhabern geprägt. "Nach Nikolaus Harnoncourt ist nichts mehr so wie es war." Und auch wenn der Querkopf stets polarisiert habe, sei die Verbindung zu den Philharmonikern gewachsen: "Im Innersten wussten beide, dass sie zusammengehören." Dabei habe der Maestro, dem die Philharmoniker 2004 die Ehrenmitgliedschaft verliehen, das Orchester nie autoritär geführt: "Er hat es animiert, inspiriert, mit seinem Feuereifer mitgerissen." Und dabei sei er stets mehr als Interpret gewesen, sondern geradezu mit dem jeweiligen Werk verschmolzen: "Er wurde zur Musik, zu ihrem Atem, ihrem Impuls, ihrem Fluss." Und dies wirke weiter: "Sein Denken hat einen Samen gelegt, der gerade erst am Erblühen ist."

Zuletzt nahm Franz Harnoncourt im Namen der Familie Abschied im Goldenen Saal. Sein Vater sei ein Mensch der überreichen Begabungen gewesen. "Und wer so beschenkend und beschenkt war, dessen Verlust ist besonders schmerzlich." Er habe nicht nur dem treuen Publikum, sondern auch seiner Familie die Welt der Musik eröffnet. "Musik ist uns zu einer emotionalen Muttersprache geworden." Dabei sei Harnoncourt stets ein Mensch gewesen und geblieben, der von einer ungefilterten Geradlinigkeit getragen war, der Intrige und Geschwätz völlig fremd gewesen sei: "Er betrachtete Höflichkeit als Zeichen von Verlogenheit." Sein Vater habe ein einfaches, aber unendlich erfülltes und erfüllendes Leben geführt. "Heute ist die Musik ein Sinnbild für ihn - nicht da, und doch in uns."

Für den musikalischen Rahmen der Gedenkstunde sorgten mit dem Concentus Musicus, den Wiener Philharmonikern und dem Arnold Schoenberg Chor drei Ensembles, die zu den prägenden Klangkörpern im Leben Nikolaus Harnoncourts gehörten. Am Abend folgt dann mit einem Gedenkkonzert des Concentus der zweite Teil der Würdigung. Das von Harnoncourt 1953 ins Leben gerufene Originalklangensemble wird sich unter anderem mit Mozarts "Requiem" von seinem Gründer verabschieden.