Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Schlussplädoyers im Wiener Aliyev-Prozess gehalten

Von nachrichten.at/apa, 08. Juli 2015, 18:47 Uhr
Aliyev
Aliyev wurde 52 Jahre alt. Bild: Reuters

WIEN / ASTANA. Mit den Schlussvorträgen von Staatsanwaltschaft, Privatbeteiligten-Vertretern und Verteidigern ist am Mittwoch der Aliyev-Prozess um die Ermordung der kasachischen Banker Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov abgeschlossen worden. Zuletzt gaben auch noch die Angeklagten Vadim Koshlyak und Alnur Mussayev ein Schlusswort ab.

In dem Verfahren müssen sich seit Mitte April der ehemalige Chef des kasachischen Geheimdiensts KNB, Mussayev, sowie Koshlyak als mutmaßlicher Beteiligungstäter vor einem Schwurgericht (Vorsitz: Andreas Böhm) verantworten. Koshlyak war der Sicherheitsberater des kasachischen Ex-Botschafters in Wien und Ex-Schwiegersohns des autoritären kasachischen Präsidenten Rakhat Aliyev. Aliyev, der am 24. Februar tot in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefundenen worden war, hätte in dieser Causa als Hauptangeklagter fungiert.

"Das ist ein politischer Fall. Im kriminellen Sinn bin ich unschuldig", erklärte Mussayev. Koshlyak wandte sich in deutscher Sprache an die Geschworenen: "Ich bin ein Staatsfeind in Kasachstan. Meine Gegner haben unbeschränkte Möglichkeiten." An die Laienrichter gewandt, sagte er: "Ich lege mein Leben und die Zukunft meiner Familie in ihre Hände. Möge Gott Ihnen dabei helfen."

Davor hatte zunächst im gut gefüllten Verhandlungssaal des Wiener Straflandesgerichts die Staatsanwaltschaft ihr Schlussplädoyer gehalten. Es habe natürlich auch "widersprüchliche Zeugenaussagen" gegeben, räumte Staatsanwalt Markus Berghammer ein. Das liege aber daran, dass viele Zeugen bei ihrer ersten Einvernahme kurz nach der Tat von der Finanzpolizei eingeschüchtert gewesen seien, da diese damals unter der Kontrolle Aliyevs gewesen wäre. Auch hätten kasachische Behörden eine andere "Art und Weise", Zeugenprotokolle anzufertigen, erklärte Berghammer die Aufzeichnungen aus Kasachstan, die immer wieder ergänzt wurden.

Auch die These, der Fall sei vom kasachischen Geheimdienst KNB gesteuert, um den beim kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew in Ungnade gefallenen Aliyev entsprechend zu belasten, sei nicht haltbar. "Wenn ich schon so etwas inszeniere, dann mach ich das auf kasachischem Boden und nehme ihn auch auf kasachischem Boden fest." Aliyev war zehn Tage nach der angeblichen Entführung der beiden Banker am 31. Jänner 2007 erneut als Botschafter nach Wien geschickt worden.

"Fakt ist", die Entführung Mitte Jänner 2007 in den Saunakomplex sowie jene Ende Jänner aus der Nurbank, die schlussendlich mit dem Mord an Timraliyev und Khasenov geendet haben soll, habe es gegeben, betonte Staatsanwältin Bettina Wallner. Das hätten Zeugenaussagen im Laufe des Prozesses eindeutig bewiesen. Dass diese zwischendurch verwirrend waren, hätte unter anderem an der Übersetzung vom Russischen ins Deutsche gelegen: "Bei der Übersetzung geht immer etwas verloren."

"Aliyev war kein dummer Mensch, er hatte Kenntnisse von Staatsgeheimnissen", und mit dieser Sicherheit habe er agiert, beschrieb Wallner ihre Eindrücke von Aliyev. "Die Tat war nicht von Anfang an geplant, sondern ergab sich aus der Situation", fuhr die Staatsanwältin fort. Die beiden Banker, denen Aliyev vorgeworfen haben soll, ihn finanziell hintergangen zu haben, hätten sich in der Nurbank sicher gefühlt. Durch das Auftauchen einer Polizeisondereinheit, die die damalige Ehefrau eines der Opfer gerufen hatte, eskalierte laut Wallner die Situation.

Die meiste Zeit ihres mehr als einstündigen Plädoyers widmete sie den Widersprüchen in den Aussagen der Angeklagten, insbesondere jenen von Mussayev. So habe dieser stets behauptet, vom KNB genötigt worden zu sein. "Wer soll ihm das glauben", sagte Wallner mit dem Hinweis, dass der Geheimdienst seine Pension bezahlt hatte.

Privatbeteiligten-Vertreter Gerald Ganzger bezeichnete als Rechtsbeistand der beiden Witwen Aliyev als "mächtigen eitlen Mann", dessen Wort "Gesetz" gewesen sei. Koshlyak sah Ganzger als "Handlanger" bzw. "rechte Hand" Aliyevs und "Gefangenenwärter Nummer eins", der bedingungslos den Befehlen seines Vorgesetzten gefolgt sei. Der Privatbeteiligten-Vertreter zeigte sich zutiefst überzeugt, dass die Anklage richtig sei. "20 Top-Juristen des Landes" hätten sie bestätigt. "Glauben Sie, dass die sich beeinflussen lassen? Von uns, von Doktor Gusenbauer?", spielte er auf jüngste Medienberichte über die Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner (LGP) an, die als Schaltstelle für den früheren österreichischen Bundeskanzler gedient haben soll, der sich als Berater dem kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew andiente und dafür auch andere ehemalige europäische Spitzenpolitiker gewann.

Die Verteidiger von Mussayev, Martin Mahrer, und Koshlyak, Walter Engler, hielten den Ausführungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten-Vertreter entgegen, dass es keinen einzigen Sachbeweis für eine Beteiligung der Angeklagten am inkriminierten Doppelmord gebe. Beide betonten, der Prozess sei vom kasachischen Staatspräsidenten Nasarbajew bzw. dem KNB gesteuert.

Mahrer wertete das Verfahren als "Angriff auf die österreichische Rechtsstaatlichkeit". Mit "krimineller Energie" und entsprechendem Kapital übe Nasarbajew im Weg des Gerichtsverfahrens "Rache", weil sich sein vormaliger Schwiegersohn Aliyev von ihm abgewandt habe. Die Staatsanwältin habe sich von kasachischer Seite instrumentalisieren und von "fingierten Beweismitteln" täuschen lassen, sagte Mahrer. Es gebe kein Motiv und keinen Beweis für eine Beteiligung Mussayevs am Mord an den zwei Bankern.

"Wie kann man so etwas überhaupt anklagen?", wunderte sich Mahrer. Die gesamten Vorwürfe basierten auf einem "Lügengebäude der kasachischen Leute": "Die Anklage hat nicht einen Schuldbeweis zutage gebracht." Die Staatsanwältin sei vielmehr "nicht objektiv" vorgangen, LGP habe als Privatbeteiligten-Vertretung "einen Pakt mit dem Teufel geschlossen" und als vorgebliche Opfer-Vertreterin 14 Millionen Euro für eine Anti-Aliyev-Kampagne und gegen die Angeklagten ausgegeben, behauptete Mahrer.

Auch Koshlyaks Rechtsbeistand Engler ortete Nasarbajew als Triebfeder hinter dem Prozess: "Das Verfahren dient für sein Land, seine Bürger als abschreckendes Beispiel, was passiert, wenn man abtrünnig wird." Österreich sei "eine Bühne für seine Wünsche, seine Vorstellungen, dass er seinem Land zeigen kann, wer der Mächtige ist".

Gegen Mussayev war noch vor Beginn der Schlussplädoyers die Anklage auf Freiheitsentzug erweitert worden. Er habe die Opfer gegen ihren Willen bei ihrer Entführung festgehalten, hieß es seitens der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Mahrer wies den Vorwurf als "unbrauchbar" zurück. Das Schwurgericht gab nach 15-minütiger Beratung dem Einwand der Staatsanwaltschaft statt.

Die Geschworenen nehmen am Freitag um 09.00 Uhr ihre Beratungen über die Schuldfrage auf. Wie lange sie benötigen werden, um den ihnen vorgelegten, umfangreichen Fragenkatalog beantworten zu können, ist nicht absehbar. Folglich ist auch der Zeitpunkt der Urteilsverkündung nicht vorhersehbar.

mehr aus Aktuelle Meldungen

Schwanenplage am Attersee kommt Landwirte teuer zu stehen

Fusion unterm Giebelkreuz: Neue Raiffeisenbank Region Traun-Alm

Bleischürzen bei Röntgen haben ausgedient

Fußballstar Xaver Schlager kauft Wirtshaus in Sankt Valentin

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen