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Rechtsruck nach Wahlen in der Slowakei

Von nachrichten.at/apa   06.März 2016

Die Smer (Richtung-Sozialdemokratie) ist auf 28,3 Prozent abgesackt, vor vier Jahren hatte sie noch ein Traumergebnis von über 44 Prozent erzielt. Zudem wird ein markanter Rechtsruck in der Slowakei sichtbar, Extremisten werden ins neue Parlament einziehen. Die liberale Partei SaS des Europakritikers Richard Sulik wurde mit 12,1 Prozent zweitstärkste Kraft. Insgesamt kamen acht Parteien ins Parlament.

Für einen Schock sorgte der erstmalige Einzug einer rechtsradikalen Partei ins Parlament: Die Volkspartei-Unsere Slowakei (LS-NS) kam auf 8,0 Prozent. Ihr Gründer und Parteiführer Marian Kotleba war bereits mehrfach wegen Rassismus und Rechtsextremismus angeklagt, aber noch nie rechtskräftig verurteilt worden. Mit Sprüchen wie "Die NATO ist eine Verbrecherorganisation" und dem Versprechen, mit den "Parasiten" in den Roma-Slums aufzuräumen, konnte Kotleba unerwartet gut punkten. Umfragewerte der vergangenen Monate hatten dies nicht einmal angedeutet. Bereits 2013 sorgte Kotleba mit einem unerwarteten Sieg in den Regionalwahlen im Kreis Banska Bystrica für Aufregung im Land, auch als Regionspräsident ist er seinem Ruf treu geblieben.

Der Wahlschock sitzt sichtlich tief. "Es ist eine Schande, dass wir im Jahr des EU-Ratsvorsitzes der Slowakei Faschisten im Parlament haben werden," kommentierte die Europaabgeordnete der Smer, Monika Flasikova-Benova, kurz nach Veröffentlichung der ersten Nachwahlbefragungen. Kritisch äußerte sich auch der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak: "Es scheinen Parteien ins Parlament gelangt zu sein, die die Wahrnehmung der Slowakei in Europa sehr verkomplizieren werden," meinte der parteilose Diplomat.

Überraschungen

Unter den insgesamt acht Parteien, die den Sprung ins Parlament geschafft haben, sind aber auch weitere Überraschungen. Die erst gegen Ende des Vorjahres entstandene und als absolut unberechenbar geltende Partei Sme rodina (Wir sind Familie) des medienbekannten Unternehmers und Millionärs Boris Kollar scheint auch in den Nationalrat einzuziehen. Sie versprach in ihrem extrem kurzen Wahlkampf das Leben von Normalbürgern und Unternehmern erleichtern zu wollen, es folgte ein Raketenstart. Kollar wurden aber mehrmals als "gemäßigter Kotleba" bezeichnet.

Auch die national-konservative Slowakische Nationalpartei (SNS) wird nach einem Neustart unter dem neuen Parteivorsitzenden Andrej Danko im Parlament vertreten sein. Ob die Reflexion nach dem Wahlfiasko vor vier Jahren, die erneuerten Strukturen und gemäßigte Rhetorik eine tatsächliche Kursänderung in Richtung einer standardgemäßen Volkspartei oder nur schlichte Image-Änderung sind, wagen Analysten vorerst nicht einzuschätzen.

Bei nahezu allen bisher im Parlament vertretenen Parteien lagen Umfragen völlig daneben. Die in Umfragen als zweitstärkste Partei des Landes eingestufte neue konservative Siet (Netz) des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Radoslav Prochazka rutschte nur knapp ins Parlament. Die neoliberale Freiheit und Solidarität (SaS) von Richard Sulik sowie die Protestpartei Gewöhnliche Menschen - Nova, die Meinungsforscher nahezu außerhalb des Parlaments sahen, liegen vorerst mit einem zweistelligen Ergebnis auf Platz Zwei und Drei und gelten bereits jetzt als die tatsächlichen Wahlsieger. Eine Absage erteilten die Wähler hingegen den etablierten Christdemokraten (KDH) und der Ungarn-Partei Most-Hid, die im Wahlkampf noch zusammen mit der Siet "eine rechte Alternative zur Smer" bilden wollten und scheinbar auch gute Chancen dazu hatten. Die Christdemokraten haben erstmals seit 1993 das Parlament verfehlt.

Die Slowakei scheint nach dem Urnengang plötzlich vor einem Patt zu stehen. Extrem schwierige Koalitionsverhandlungen stehen laut Beobachtern bevor. Die Rettung könnte nur noch eine breite und bunte Regierungskoalition quer durchs politische Spektrum sein - eine Verbindung der linken Smer mit mehreren Mitte-Rechts-Parteien, die als Fico-Gegner gelten. Damit käme aber eine eher unstabile Regierung zusammen. "Neuwahlen in einem Jahr," kommentierten Slowaken noch in der Nacht in sozialen Netzwerken.

Mit Blick auf die nahende EU-Ratspräsidentschaft der Slowakei ab Juli bleibt aber für lange Koalitionsgespräche nur wenig Zeit, betonten Politologen. "Die Slowakei stand einer Beamtenregierung noch nie so nahe wie heute," erklärte der renommierte politische Kommentator Marian Lesko im TV Markiza. Wenn die Slowakei in bevorstehenden schweren Zeiten, mit Blick auf gewaltige Herausforderungen wie den Brexit und den drohenden Schengen-Zerfall, tatsächlich der EU helfen wolle, sei das die einzige rationale Lösung.

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