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Proteste in Bulgarien eskalieren - Verletzte bei Sturm auf Parlament

Von nachrichten.at/apa   24.Juli 2013

Erst gegen 4.00 Uhr früh (3.00 Uhr MESZ) konnte die Polizei den Belagerungsring brechen und die Politiker evakuieren. Mindestens zehn Menschen wurden bei Zusammenstößen verletzt, Parlamentspräsident Michail Mikow sagte die für Mittwoch geplante Tagung der Volksvertretung ab.

Die Demonstranten fordern seit Mitte Juni in täglichen Kundgebungen vor dem Parlament den Rücktritt der sozialistisch geführten Regierung und Neuwahlen. Ihr Protest entzündete sich an der Ernennung eines zwielichtigen Medienmagnaten zum Geheimdienstchef, richtet sich aber mittlerweile gegen das als korrupt kritisierte politische Establishment Bulgariens als Ganzes.
Nachdem sie bei ihren Kundgebungen zunächst vergeblich versucht hatten, die Abgeordneten am Betreten des Parlamentsgebäudes zu hindern, damit das Gremium nicht beschlussfähig ist, änderten die Demonstranten am gestrigen Dienstag ihre Taktik. Sie richteten eine Sitzblockade rund um das Parlament ein und hinderten die Politiker daran, das Gebäude zu verlassen.
Gegen 22.00 Uhr Ortszeit scheiterte ein Versuch der Polizei, rund 100 Abgeordnete, drei Minister sowie Journalisten in einem Reisebus aus dem Parlament zu schaffen. Die Demonstranten schlugen nämlich mehrere Scheiben des Gefährts ein, das dann wieder umdrehte.

"Wir sind viele, wir sind stark"

Die Demonstranten errichteten Barrikaden aus Mülltonnen, Parkbänken und Pflastersteinen, um sich gegen die vorrückenden Polizisten zu schützen. Diese setzten Medienberichten zufolge auch Gummiknüppel ein, während sich die Protestierenden mit Flaschenwürfen verteidigten. Auch ein Fahrrad sei auf die Polizisten geschleudert worden. "Wir sind viele, wir sind stark", skandierten die Demonstranten, die auch die Nationalhymne anstimmten.
Erst durch die Verlegung von 400 Polizisten zum Parlamentsgebäude konnten die Sicherheitskräfte die Überhand gewinnen. Gegen 4.00 Uhr Ortszeit schlugen sie einen Korridor durch die demonstrierende Menge und begannen die im Gebäude festsitzenden Personen in mehreren Autos zu evakuieren. Die Polizisten stellten sich in Reihen auf und hielten die Hände hoch, um den Demonstranten zu signalisieren, dass sie keine Gewalt mehr anwenden wollen. Die Beamten wurden von der Menge als "Verräter" und "Söldner" beschimpft. Mindestens fünf Demonstranten und ebenso viele Polizisten wurden bei den Auseinandersetzungen seit Dienstagabend verletzt.
Für Spekulationen sorgte in der Nacht auf Mittwoch das beharrliche Schweigen der Spitzenvertreter der Regierungskoalition aus Sozialisten (BSP) und Türken-Partei (DPS) angesichts der beispiellosen Eskalation der Proteste. Weder Premier Plamen Orescharski noch die Parteichefs Sergej Stanischew und Ljutfi Mestan meldeten sich zu Wort.
Der konservative Oppositionsführer Bojko Borrisow forderte dagegen nicht nur den sofortigen Rücktritt der Regierung, sondern auch die Einberufung einer Sondersitzung des Rates für nationale Sicherheit noch in der Nacht. Staatspräsident Rossen Plewneliew appellierte an die Demonstranten, Ruhe zu bewahren.

Der Kampf gegen die Korruption

Zur Eskalation kam es, nachdem sich die innenpolitische Lage in Bulgarien etwas entspannt hatte. Am gestrigen Dienstag hatten nämlich die Abgeordneten von Borrisows konservativer Partei GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) ihren seit den Parlamentswahlen am 22. Mai andauernden Boykott der Parlamentsarbeit aufgegeben. GERB war bei der Parlamentswahl zwar stärkste Kraft geworden, konnte aber keine Regierung bilden. Die BSP-DPS-Regierung hat auch nur 120 der 240 Abgeordneten hinter sich und ist auf die Duldung der nationalistischen Ataka-Partei angewiesen.
Unterstützung erhielten die Protestierenden am gestrigen Dienstag von EU-Justizkommissarin Viviane Reding. "Ihr könnt auf uns zählen. Wir werden die Regierung in einen echten Kampf gegen die Korruption drängen", sagte Reding bei einem Besuch in Sofia.
Bulgarien befindet sich seit Monaten in einer tiefen politischen Krise. Der Parlamentswahl im Mai war nämlich der vorzeitige Rücktritt des damaligen konservativen Ministerpräsidenten Borissow vorausgegangen. Er hatte im Februar nach Massenprotesten gegen Strompreiserhöhungen das Handtuch geworfen.

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